Zunehmende Gewalt gegen Frauen im Land

Vorarlberg / 01.03.2023 • 20:59 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Mehr als 80 Prozent der Betroffenen, die Gewalt erfahren, sind Frauen. VN/STEURER
Mehr als 80 Prozent der Betroffenen, die Gewalt erfahren, sind Frauen. VN/STEURER

Angelika Wehinger, Leiterin der ifs Gewaltschutzstelle, klärt über das Thema auf.

BREGENZ In diesem Jahr gab es bereits drei Femizide (Tötung von Frauen und Mädchen). Letztes Jahr waren es 28, österreichweit. Auch die Anzahl an ausgesprochenen Betretungs- und Annäherungsverboten ist über die Jahre gestiegen. Alleine in Vorarlberg ist dies zu spüren, schließlich wurden letztes Jahr 44 Mal mehr Verbote ausgesprochen als im Jahr davor.

Schon 75 Verbote angeordnet

Zudem wurden heuer schon 75 Betretungs- und Annäherungsverbote angeordnet. „Das bedeutet, dass die Polizei in Vorarlberg teilweise mehr als ein Mal pro Tag wegen häuslicher Gewalt eingeschritten ist“, erklärt Angelika Wehinger, Leiterin der ifs Gewaltschutzstelle. Dabei handelt es sich bei 80 Prozent der Betroffenen um Frauen. 90 Prozent der gefährdenden Personen sind Männer.

Gewalt kann viele Formen annehmen. Von körperlicher Gewalt wie Schläge, Würgen und Tritte, sexualisierte Gewalt, über soziale, die die Kontrolle und Zerstörung der sozialen Beziehungen beinhaltet, bis zur ökonomischen Gewalt wie Eingrenzung der finanziellen Mittel. Letztes Jahr hat die ifs Gewaltschutzstelle insgesamt 935 Betroffene beraten, sei es bei der Erstellung eines Schutzplans oder rechtlichen Angelegenheiten. „Frauen, die in Gewaltbeziehungen leben, sind meist verschiedenen Formen von Gewalt ausgesetzt“, erzählt Wehinger. Die Verhältnisse zeichnen sich oft durch emotionale Abhängigkeiten, Herabwürdigungen, Isolierung, Zwang und Bedrohung aus. „Solche toxischen Beziehungen können den Selbstwert der Betroffenen zerstören. Der Ausweg aus der gewalttätigen Beziehung scheint ihnen dann unmöglich zu sein.“ Genau das erschwert zunehmend die Flucht. Hinzu werden sie oft bedroht, dass man ihnen die Kinder wegnehmen würde. „Schuld- und Schamgefühle, das Gefühl der Hilflosigkeit sowie die Angst, im Umfeld auf Unglauben zu stoßen, kann Frauen auch daran hindern, die Polizei zu verständigen und die Gewalt öffentlich zu machen“, fügt die Leiterin hinzu. Häufig klammern sich viele an die Hoffnung, der Partner könnte sich bessern. „Betroffene befürchten ebenfalls, dass nach einem Polizeieinsatz die Situation noch schlimmer und die Gewalt weiter zunehmen wird.“ Einer Studie zufolge brauchen Frauen durchschnittlich sieben Anläufe, sich aus einer Gewaltbeziehung zu lösen. „Zwei Drittel der Frauen gehen nicht zur Polizei oder einer Gewaltschutzstelle“, bestätigt auch Nikola Furtenbach, die am Projekt StoP – Stadtteile ohne Partnerschaftsgewalt mitwirkt. Grund dafür ist meist Scham oder die Ungewissheit, wo sie sich Unterstützung holen können. „Wir haben Aktionsgruppen in Bregenz und Hohenems, die sich treffen und überlegen, wie man den Betroffenen helfen kann. Sei es durch Info-Stände, Kampagnen oder Initiativen“, erklärt Furtenbach. Eines müsse man sich aber bewusst sein, meint Angelika Wehinger: „Die Verantwortung für die Gewalt liegt stets bei der gewaltausübenden Person.“

„In den skandinavischen Ländern gehen die Frauen immer zu den Gewaltschutzstellen, weil dort das Bewusstsein da ist“, erkläutert Nikola Furtenbach. Je häufiger öffentlich darüber gesprochen wird, umso mehr hat es positive Auswirkungen auf Betroffene, sich Hilfe zu suchen. „Die Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung bezüglich Ursachen und Hintergründe zu häuslicher Gewalt tragen wesentlich zur Prävention bei“, so Wehinger.

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