Kraftwerk oder Käseglocke
Das geplante Kraftwerk an der Lutz im Biosphärenpark Großes Walsertal sorgt für Aufregung. Während die einen die klimaverträgliche Energiegewinnung aus einer erneuerbaren Energiequelle in den Vordergrund rücken, betonen die anderen den Verlust einer noch ursprünglichen Flusslandschaft und bezweifeln die Vereinbarkeit des Projekts mit dem Status des Biosphärenparks. Im Grunde haben beide Seiten Recht, was die Entscheidung dafür oder dagegen nicht einfacher macht.
Nun muss sorgfältig erhoben werden, ob die Schädigung des Ökosystems an der Lutz durch das geplante Kraftwerk tatsächlich so schwerwiegend ausfällt wie von den Gegnern des Projekts behauptet. Das dürfte einige Zeit beanspruchen, auch wenn uns viele Klimaaktivist:innen sagen, dass wir keine Zeit mehr haben.
Die EU hat in einer vor dem Jahreswechsel durchgepeitschten sogenannten Notfallverordnung den Wasserkraftwerken ein überwiegendes öffentliches Interesse zuerkannt, um damit die Verfahren zu beschleunigen. Das ist gut gemeint, wird aber nicht allzu viel nützen, denn die Projekte müssen ja trotzdem geprüft werden. Und so ein Sachverständigengutachten dauert halt seine Zeit, bis es erstellt ist. Außerdem war es in Vorarlberg doch bisher Praxis, dass, sofern das Vorhaben einigermaßen schonend mit Natur und Landschaft umging, der Wasserkraft regelmäßig der Vorzug gegenüber dem Naturschutz eingeräumt wurde. Dazu hätte es die EU nicht gebraucht.
Die interessantere Frage scheint schon zu sein, ob das Große Walsertal mit dem Kraftwerk weiterhin als Biosphärenpark gelten kann, also als eine Region, die im Einklang mit der Natur lebt. Für einen Betrachter von außen ist es eher unverständlich, wenn ein nicht übergroß dimensioniertes Wasserkraftwerk, das letztlich dazu führen soll, die Abhängigkeit der Region von nicht erneuerbaren Energien zu reduzieren, nicht mit einem Biosphärenpark vereinbar sein soll. Es hat, sofern die Prüfung des Vorhabens keine schwerwiegenden Einwände ergibt, keinen Sinn, ein Tal unter eine virtuelle Käseglocke zu stellen und eine gute Möglichkeit zur klimafreundlichen Energiegewinnung abzulehnen.
„Das dürfte einige Zeit beanspruchen, auch wenn uns viele Klimaaktivist:innen sagen, dass wir keine Zeit mehr haben. “
Peter Bussjäger
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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