Neid als Triebfeder des Krieges

Dietmar Stribersky referierte über die „Anthropologie des Krieges“ für den Rotary Club.
Braz „Heute findet mit ‚Anthropologie des Krieges‘ ein Vortrag aus unseren eigenen Reihen statt“, erklärte Silivia Ibele, die vorhergehende Präsidentin des Rotary Clubs Bludenz, bei ihren einleitenden Worten zur nachfolgenden Präsentation des ehemaligen Primars Dietmar Striberski im Gasthof Traube in Braz. Der Mediziner René El Attal, Präsident des Rotary Clubs Feldkirch, betonte in seiner Ansprache die sehr gute Gesprächsbasis der jeweiligen Clubs in Vorarlberg untereinander: „Wir beschäftigen uns oft mit ähnlichen Themen und werden uns in Zukunft miteinander besser vernetzen. Der Rotary Club setzt sich mit mehr als sozialen Projekten auseinander.“
Grausamkeit vs. Hilfsbereitschaft
Dietmar Striberski widmet sich seit seinem „Ruhestand“ von der Primararzttätigkeit vermehrt seiner Leidenschaft, nämlich der Anthropologie. „Wie können Menschen gleichzeitig so grausam, aber auch so hilfsbereit sein? Es gibt keine so grausame Spezies wie wir, gleichzeitig sind wir aber fähig, uns für Kranke und Bedürftige intensiv einzusetzen“, erläuterte der Mediziner. Als Beispiel verglich er aus aktuellem Anlass die Hilfsbereitschaft der Europäer für die ukrainische Bevölkerung anlässlich des russischen Angriffskriegs und der Hilfe für die Erdbebenopfer in der Türkei und in Syrien: „Es ist ein enormes Maß an Hilfsbereitschaft vorhanden.“ Diese werde nicht zuletzt durch die mediale Berichterstattung verstärkt. Die Anthropologie sei eine Verbindung der Kultur- und der Naturwissenschaft. Eine weitere Eingangsfrage lautete: „Ist der Krieg tatsächlich der Vater aller Dinge? Oder wohnt dem Menschen eine genetische Programmierung der Gewalt inne?“
Krieg oder Krise
Dietmar Striberski ging sodann auf den Unterschied zwischen einem Krieg und einer Krise ein: „Eine Krise kann auf diplomatischem Weg gelöst werden, ein Krieg hingegen ist eine gewalttätige Auseinandersetzung von Gruppen.“ Konflikte und Kriege führen immer zu List und Täuschung. Unter Bezug auf das Buch des Autors Charles Dickens „Der Kampf des Lebens“, erwähnte der Vortragende, dass der Kampf seit dem biologischen Überleben der Menschheit existiere. In weiterer Folge ging er auf die Phylogenese, also der stammesgeschichtlichen Entwicklung aller Lebewesen, insbesondere jedoch auf die der Menschen, ein: „Der Mensch stammt nicht vom Affen ab, er ist einer.“ Mit Sesshaftwerdung der Menschen entstanden fixe Territorien und eine produzierende Gesellschaft. Dies führte zu einem rasanten Anstieg der Geburtenrate und der Anhäufung von Besitztümern: „Dadurch entstand Neid, welcher eine ganz wesentliche Triebfeder für Kriege bildet.“
Sündenbock-Phänomen
Die Entwicklung von Führungspersönlichkeiten diente dem Streben nach Macht: „Welche Parolen kommen gut an? Nichts prägt eine eigene Gruppe so sehr, wie ein gemeinsamer Gegner. Sündenböcke müssen von der Erde verschwinden.“ Neben dem Neid spielen auch materieller Gewinn, Machtstreben, Gier und die Bewahrung der Ehre eine wesentliche Rolle für einen Kriegsbeginn: „Ein Krieg ist die Fortsetzung eines Konflikts mit anderen Mitteln, in seiner äußersten Form führt er zur Selbstzerstörung eines Volkes.“ Kriege beginnen oft als Verteidigungskriege, wie eben in der Ukraine. Kriegerische Auseinandersetzungen sind in säkularisierten Gesellschaften weniger häufig, der Dogmatisierungseffekt von Religionen zeige verheerende Folgen: „Kaum etwas hat so viel Leid über die Menschheit gebracht wie die Missionierung anderer Völker.“ Ein aktuelles Thema bildet Kriegsführung mittels Drohnen: „Die Kriegsführung wird entmenschlicht, der natürliche Tötungstrieb entfällt.“ Kriege können nur beendet werden, wenn der energetische Aufwand größer ist als der erwartete Gewinn. Dies gelte auch für den anhaltenden Krieg in der Ukraine. BI





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