“Wenn im Landtag eine Frau spricht, dann geht der Geräuschpegel nach oben”

Im Vorarlberger Landtag gibt es einen vergleichsweise hohen Frauenanteil. Laut Landtagsvizepräsidentin Sandra Schoch gibt es aber nach wie vor Unterschiede.
Schwarzach, Bregenz, Wien In der Spitzenpolitik gibt es wieder weniger Frauen. Eine Aufstellung des Instituts für Parlamentarismus und Demokratiefragen hat ergeben, dass der Frauenanteil in der Bundesregierung durch diverse Regierungsumbildungen von 46,7 auf 35,7 Prozent gesunken ist. Im Gegensatz zum europäischen Trend waren auch weniger Frauen im Nationalrat und den Landesregierungen. “2022 war kein Jubeljahr für die Frauen in der österreichischen Spitzenpolitik”, resümiert das Institut. Große Unterschiede gibt es demnach in den einzelnen Bundesländern. Während in Vorarlberg fast jede zweite Landtagsabgeordnete eine Frau ist (47,2 Prozent), ist es in Kärnten nicht einmal jede vierte (22,2 Prozent).
30-Prozent-Regel
Sandra Schoch (Grüne, 52) ist seit 2013 Vizebürgermeisterin von Bregenz, seit 2014 Landtagsabgeordnete und seit 2019 zweite Landtagsvizepräsidentin. Sie sagt: „Es reicht nicht, wenn ein, zwei Frauen in einer Position sind. Laut wissenschaftlicher Forschung braucht es mindestens ein Drittel an Frauen, damit sich die Kultur verändert. Wenn es unter 30 Prozent ist, dann kommen ihre Themen einfach nicht vor. Über 30 Prozent haben sie eine starke Sichtbarkeit und lassen sich in Diskussionen nicht mehr ignorieren.“ Das habe man im Vorarlberger Landtag erreicht. „In dieser Legislaturperiode ist das auch ganz stark spürbar. Frauenthemen haben viel mehr Raum bekommen“, unterstreicht die Landtagsvizepräsidentin. Als Grund dafür nennt sie die paritätischen Wahllisten einzelner Fraktionen. Durch die abwechselnde Aufstellung von Frauen und Männern hätten Frauen stark nachrücken können. Gleichzeitig seien weiterhin deutliche Unterschiede spürbar.

„Wenn im Landtag eine Frau spricht, dann merkt man, dass der Geräuschpegel nach oben geht, dass es mehr Nebengespräche gibt, dass die Männer aufstehen oder sich mit dem Rücken zur Sprecherin drehen. Dadurch ist es für Frauen schwieriger, ihre Reden vorzutragen und inhaltlich durchzukommen. Das kostet natürlich zusätzlich Energie und Vorbereitungszeit“, schildert Sandra Schoch. Das Thema werde auch fraktionsübergreifend immer wieder thematisiert, was bei den männlichen Abgeordneten nicht immer sehr gut ankomme.
Beleidigungen
Nachholbedarf ortet Schoch auch auf kommunaler Ebene. Der Studie zufolge sitzt österreichweit nur auf jedem zehnten Bürgermeistersessel (10,4 Prozent) eine Frau. Ein Hauptgrund sieht die Grünen-Politikerin darin, dass die Frauen einen Großteil der unbezahlten Arbeit machten und am Abend oft zu erschöpft seien, um noch auf eine Sitzung zu gehen. Ungeachtet dessen müsse man auch auf kommunaler Ebene Kinderbetreuung organisieren, wenn es Abendtermine gibt oder den Frauen Geld geben, wenn sie einen Babysitter brauchen. In einem kleinen Dorf sei außerdem die soziale Kontrolle und das emotionale Niedermachen viel heftiger. „Wenn man öffentlich sichtbare Frauen stillmacht, dann wirkt sich das auch immer auf Frauen in der zweiten Reihe aus. Die überlegen sich dann doppelt und dreifach, ob sie sich das antun“, merkt die Bregenzer Vizebürgermeisterin an.
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