Nehammer lobt Koalitionsarbeit und irritiert weiter

Kanzler provoziert Grüne auch am Montag mit Ideen zu Sozial- und Klimapolitik.
Wien Die türkis-grüne Bundesregierung nähert sich dem letzten Jahr ihrer Legislaturperiode. Vieles sei gelungen, wird von beiden Koalitionspartnern stets betont. Umso mehr überrascht der aktuelle Konfrontationskurs gegenüber den Grünen von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), den er mit seiner groß inszenierten Kanzlerrede am Freitag gestartet hat.
Irritationen bei den Grünen
„Die Koalition mit den Grünen ist nicht gefährdet“, sagte er am Montag bei einem Journalistengespräch. Als Wahlkampfauftakt sei seine Rede nicht zu verstehen. Dass sie zu gröberen Irritationen beim Koalitionspartner geführt hatte, quittierte Nehammer so: „Wir haben grundsätzlich unterschiedliche Ausrichtungen, haben aber nicht den Fehler gemacht, uns ideologisch anzugleichen.“ Stattdessen werde pragmatisch gearbeitet. Die Ergebnisse „aus beiden Welten“, wie die ökosoziale Steuerreform oder die Abschaffung der kalten Progression, seien „herzeigbar“.
Große Brocken wie ein Informationsfreiheitsgesetz, Klimaschutzgesetz, Bundesstaatsanwalt oder die Reform des Arbeitslosengeldes liegen jedoch noch im Weg. „Die Priorisierung, wann wir was beschließen, die obliegt uns als Regierung. Meine Prioritäten sind andere“, sagte Nehammer.
Es habe Montagvormittag ein langes Gespräch mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) gegeben. Vieles aus seiner Rede vom vergangenen Freitag seien gemeinsame Ziele: Die Zweckwidmung der Wohnbauförderung, die Nostrifizierung der Pflegeausbildung, Digitalisierungs- und Medienkompetenzfragen in der Schule, eine kostenlose Meisterprüfung oder der Ausbau der Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr. Dennoch bleiben wohl zwei große Streitpunkte in der Klima- und Sozialpolitik offen.
Kürzung der Sozialhilfe
Dazu gehört Nehammers Vorstoß, die Sozialleistungen für Ausländer neu zu regeln. Nur jene sollten sie in vollem Umfang beziehen können, die durchgehend fünf Jahre in Österreich leben. Ansonsten will der Kanzler die Leistungen um die Hälfte kürzen. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) lehnte das umgehend ab. Maßgeblich für den Bezug müsse der Bedarf an Unterstützung sein, nicht die Aufenthaltsdauer oder das Ausmaß der Beschäftigung. Diese Maßnahme würde außerdem nicht dazu führen, 10.000 Pflegekräfte aus dem Ausland für Österreich zu gewinnen, sagte Rauch im „Standard“.
Welche Leistungen Nehammer im Detail kürzen will, blieb auch nach dem Kanzlergespräch unklar. Das Modell werde gerade ausgearbeitet und sich an EU-Recht orientieren, meinte er lediglich.
Anderer Weg
Doch auch im Bereich Klimaschutz ließ Nehammer mit markigen Sprüchen aufhorchen. Österreich sei etwa ein „Autoland“, er werde sich auch künftig für Verbrennermotoren einsetzen. Außerdem kritisierte er den „Untergangsmythos“ Klimakatastrophe. Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) meldete sich noch am Wochenende mit kritischen Tönen zu Wort: „Ideologisches Festhalten am Verbrenner und ein bisschen Technologie werden das Klima nicht retten.“ Die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer kritisierte am Montag die „rückwärtsgewandte und fossile Perspektive“ der ÖVP.
„Inhaltlich unterscheidet uns das Ziel des Klimaschutzes nicht, nur der Weg dahin ist ein anderer“, räumte Nehammer ein. „Mir geht‘s nicht darum, irgendetwas zu relativieren“, aber „mein Zugang ist der Blick nach vorne“, sagte der ÖVP-Chef. VN-JUS
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