“Abschottung auf dem Rücken der Pflege”

Vorarlberg / 14.03.2023 • 19:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Jahrestag Johannes Rauch wechselte vor einem Jahr in das Gesundheitsministerium.

Jahrestag Johannes Rauch wechselte vor einem Jahr in das Gesundheitsministerium.

Sozialminister Johannes Rauch hält Veto gegen Rumäniens Schengenbeitritt für Fehler.

Schwarzach Es ist ein Jahr her, dass Johannes Rauch (Grüne, 63) von der Landesregierung in den Bund wechselte. Am achten März wurde der Vorarlberger zum Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ernannt. Ein weiterer Jahrestag steht an: Der erste Corona-Lockdown jährt sich zum dritten Mal. Bei Vorarlberg LIVE blickte er im Gespräch mit VN-Redakteurin Magdalena Raos auf das erste Amtsjahr zurück und besprach aktuelle Themen wie Pflegekräfte- und Ärztemangel und Diskussionen rund um die Kürzung der Sozialhilfe. Die Rede von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP, 50) sorgte am Ende der Woche für Irritationen beim grünen Regierungspartner. So forderte er etwa die Halbierung der Sozialleistungen für jene Menschen, die weniger als fünf Jahre in Österreich leben. „Dafür stehen wir nicht zur Verfügung“, bekräftigt Rauch. Er ergänzt: „Ich halte das Führen von öffentlichen Debatten für etwas Normales. Mir ist unerklärlich, warum das immer sofort zur Koalitionsfrage hochstilisiert wird. Wir haben in der Regierung unterschiedliche Auffassungen, aber bringen unterm Strich die Dinge weiter.“ Rauch erinnert etwa an die Pflegereform, die Maßnahmen gegen die Teuerung oder die kostenlose HPV-Impfung. 

Maßnahmen gegen Ärztemangel 

Der Ärztemangel ist auch in Vorarlberg ein brisantes Thema. Nehammer will bis 2030 800 weitere Kassenärzte in Österreich. „Mein Masterplan Gesundheit besteht darin, dass ich das Primärversorgungsgesetz auf den Weg gebracht habe“, entgegnet Rauch. Das betrifft die Förderung von Einrichtungen, in denen mehrere Ärzte und auch andere Berufsgruppen zusammenarbeiten. Burkhard Walla, Vorarlbergs Ärztekammerpräsident, befürchtet, dass darunter Einzelverträge und damit die dezentrale Versorgung leidet. „Das halte ich für vollkommen überzeichnet“, reagiert Rauch. Primärversorgungszentren führten seiner Meinung nach zu mehr Qualität und Versorgungssicherheit. 

Kritik an Schengenveto

Ein weiterer eklatanter Fachkräftemangel betrifft die Pflege. Die ÖVP hat jüngst den Schengenbeitritt Rumäniens blockiert. „Wenn wir in Österreich nicht in einen Pflegenotstand geraten wollen, dann brauchen wir 24-Stunden-Pflegerinnen – auch aus Rumänien. Dorthin ein Zeichen zu senden, dass wir sie nicht haben wollen, halte ich für fatal. Ich glaube nicht, dass man auf dem Rücken der Pflege Abschottungspolitik machen kann“, kritisiert Rauch.

Der Sozialminister plädiert dafür, dass die ÖVP ihren Standpunkt noch einmal revidiert. „Ohne eine gewisse europäische Grundsolidarität werden wir die Dinge nicht hinbekommen“, sagt Rauch. Er weist darauf hin, dass Österreich auf Europa angewiesen ist – auch in Hinblick auf den Medikamentenmangel. „Hier ist Österreich als kleines Land mit zehn Millionen Einwohnern nicht in der Ausgangslage, die Verträge mit den großen Pharmaunternehmen so zu verhandeln, dass wir gescheite Preise bekommen.“ 

Ein drittes aktuelles Gesundheitsthema betrifft den Mutter-Kind-Pass. Die Ärztekammer droht damit, den Vertrag zu kündigen. „Es gibt eine eigentlich abgeschlossene Verhandlung zwischen Ärztekammer und Sozialversicherung“, so Rauch. Dabei ging es darum, die Leistungen der Ärzte an die Inflation anzupassen. Das ist bislang noch nie passiert. Dafür werden 17 Millionen Euro in die Hand genommen. „Jetzt sagt die Ärztekammer, aus mir nicht ganz nachvollziehbaren Gründen, sie habe sich verrechnet. Das ist nun noch Diskussionspunkt.“ 

Mietpreisbremse

„Das geht sich noch aus“, sagt der Sozialminister zur Umsetzung der Mietpreisbremse. Es sei Aufgabe des Sozialstaats, dass niemand in die Lage kommt, sich zwischen Miete oder Lebensmitteln entscheiden zu müssen. 

Die Impfpflicht will Rauch nicht kritisieren: „Ich mag nicht den Fehler machen, mit dem Zeigefinger auf meine Vorgänger zu zeigen.“ Es seien viele Leute gestorben, die Wissenslage war dünn und auf dieser Basis musste Politik gemacht werden. „Ich muss klar festhalten, dass es schon die Impfstoffe waren, die uns den Weg aus der Pandemie gewiesen habe. Das ist europaweite Erkenntnis: Sie haben Millionen Menschenleben gerettet.“ Aber natürlich wurden auch Fehler gemacht, räumt er ein. 

Im Club 3 des Profils hat Rauch unlängst angekündigt, die Politik nach dieser Legislaturperiode zu verlassen. Das bestätigte er bei Vorarlberg LIVE: „Ein politisches Amt strebe ich nicht mehr an und auch nicht die Rückkehr in die Landespolitik.“ VN-Jus, Ram

Wenn wir in Österreich in keinen Pflegenotstand geraten wollen, brauchen wir 24-Stunden-Pflegerinnen – auch aus Rumänien.

Rund um den Mutter-Kind-Pass laufen gerade Verhandlungen.APA
Rund um den Mutter-Kind-Pass laufen gerade Verhandlungen.APA

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