Anrainer sorgen sich um Lebensqualität

Vorarlberg / 14.03.2023 • 19:22 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Reinhard Bohle gibt sich kämpferisch. Die Anrainer würden so schnell nicht klein beigeben.VN/Gasser (3)
Reinhard Bohle gibt sich kämpferisch. Die Anrainer würden so schnell nicht klein beigeben.VN/Gasser (3)

Ansiedlung eines Logistikunternehmens beschäftigt Gerichte. Anrainer üben scharfe Kritik am Dornbirner Rathaus.

DORNBIRN Es ist ein Kampf David gegen Goliath. Auf der einen Seite Anrainer, die durch die Ansiedlung eines Logistikunternehmens im Betriebsgebiet Wallenmahd um ihre Lebensqualität fürchten, auf der anderen Seite die Stadt Dornbirn. Sie würden nicht gehört, ihre Ängste ignoriert. Es herrsche in der Stadt längst eine Mentalität des „Drüberfahrens“, beklagen die Bewohner.

Die Fronten sind verhärtet, Gesprächsbasis gibt es längst keine mehr. Klein beigeben werden sie dennoch nicht. „Wir Anrainer sind bereit, bis zum Letzten gegen das Projekt zu kämpfen“, sagt Josef Böhler. Seitens der Stadt heißt es wiederum, die Nachbarrechte würden im Rahmen der Verfahren berücksichtigt. Dabei bestehe die Möglichkeit, gegen die Bescheide Beschwerde einzulegen. Das haben die Anrainer auch getan. Der nächste Gerichtstermin findet noch diese Woche statt.

Betriebsgebiete gewidmet

„Ich war gerne Dornbirner. Heute ist das Vertrauen in die Stadt bei null“, so Josef Böhler beim Lokalaugenschein der VN. 1984 hatte der heute 73-Jährige auf der grünen Wiese sein Eigenheim errichtet. Ein schickes Einfamilienhaus, viel Holz. Lange war alles gut. Josef Böhler steht auf der Terrasse seines Hauses. Irgendwann sei dann großzügig Industriegebiet gewidmet worden. „Hinter verschlossenen Türen. Erfahren haben wir immer erst dann etwas, wenn es schon entschieden war“, beklagt er.

Man habe sich mit der Situation arrangiert – auch mit den großen Industriebauten in Sichtweite, sagt Böhler. Das änderte sich schlagartig, als 2018 erstmals ruchbar wurde, dass ein Logistikunternehmen mit einem 24-Stunden-Betrieb, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr in unmittelbarer Nähe zum Wohngebiet angesiedelt werden sollte. Mit dem Bauantrag formierte sich Widerstand: anfangs eine Hand voll Nachbarn, mittlerweile eine Gruppe von über 40 Menschen. Sie alle eint die Sorge um die Lebensqualität.

Bewohner fühlen sich betrogen

Reinhard Bohle (69) ist einer von ihnen. Auf dem Küchentisch liegt jene Broschüre, die ihn 2017 zum Kauf einer Wohnung im Walchsmahd motivierte. „Garantiert unverbaubarer Ausblick auch in der Zukunft“, heißt es darin. Jetzt soll als Auflage mit der Betriebsansiedlung eine 12,7 Meter hohe Mauer errichtet werden. „Wir könnten nicht mehr auf den Balkon, hätten eine Betonwand direkt vor der Nase.“ Wie viele andere Bewohner auch, fühle er sich betrogen.

Der Kampf der Anrainer gegen die Betriebsansiedlung geht schon Jahre. Ein Etappenerfolg im Sommer 2021 hatte die Bewohner hoffen lassen. Der Verfassungsgerichtshof kippte die ursprüngliche Betriebsgebietwidmung (BB-II). Ein Bauverfahren wurde dennoch weiterbetrieben. Die Stadt hatte schließlich die beantragte Baubewilligung im Dezember 2022 erteilt, die jetzt – angefochten von Nachbarn und Logistikunternehmen – beim Landesverwaltungsgerichtshof anhängig ist. Mittlerweile ist die Widmung repariert. Aus Betriebsgebiet BB-II wurde Betriebsgebiet BB-I mit mehr Rechten für die Anrainer.

Aus Sicht der Stadtverwaltung ändert das allerdings nichts an der Umsetzung des Projektes, wie es auf VN-Anfrage dazu heißt. Insbesondere die lärmtechnische Begutachtung habe ergeben, dass das geplante Projekt auch bei der neuen Widmung unter Berücksichtigung der Nachbarrechte rechtens sei. So könnte die Errichtung eines Betriebsgebäudes mit Kühl- und Lagerhaus am geplanten Standort stattfinden. Die Bewilligung sähe rund 440 Lkw-Fahrten von Montag bis Samstag und 229 Lkw-Fahrten am Sonntag vor.

Hohe Kosten

Für den Erhalt ihrer Lebensqualität greifen die Anrainer selbst tief in die Taschen. Alleine die Anwaltskosten summieren sich bereits auf über 20.000 Euro. Bei der Ansiedlung eines Unternehmens mit „sanfter Betriebstätigkeit“ hätten sie nie ein Problem gehabt, aber „wenigstens am Wochenende hätten wir gerne eine Ruhe“, sagt Reinhard Bohle. Den Instanzenweg werden sie jedenfalls weiter bestreiten. „Auch wenn das alles langsam an die Substanz geht“, wie Josef Böhler einräumt. Dass die Wohnqualität für immer verloren gehen könnte, verfolgt den Pensionisten jedenfalls bis in den Schlaf.

Hier soll die Zentrale eines Logistikunternehmens entstehen.VN/Sams
Hier soll die Zentrale eines Logistikunternehmens entstehen.VN/Sams
Josef Böhler kämpft seit 2018 gegen das geplante Projekt. Der nächste Gerichtstermin ist bereits diese Woche.
Josef Böhler kämpft seit 2018 gegen das geplante Projekt. Der nächste Gerichtstermin ist bereits diese Woche.
Anrainer organisieren sich. Sie wollen weiter gegen die Betriebsansiedlung kämpfen.
Anrainer organisieren sich. Sie wollen weiter gegen die Betriebsansiedlung kämpfen.

Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.