Im Wahn zum Mordversuch getrieben

Vorarlberg / 15.03.2023 • 21:59 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Die Betroffene vor dem Feldkircher Schwurgericht. Sie vermag sich nicht an ihre Tat zu erinnern.vn/gs
Die Betroffene vor dem Feldkircher Schwurgericht. Sie vermag sich nicht an ihre Tat zu erinnern.vn/gs

30-Jährige stach drei Mal mit einem Steakmesser auf einen Mann ein. Und zwar in Tötungsabsicht.

Feldkirch Die Frau, die im Schwurgerichtssaal am Landesgericht Feldkirch Platz nimmt, wirkt unscheinbar und harmlos. Niemand käme bei ihrem Anblick auch nur annähernd auf den Gedanken, zu welcher Tat sie am 9. Oktober des vergangenen Jahres im Oberland fähig war.

Doch Staatsanwalt Johannes Hartmann trägt in der Anklage das so Erschütternde wie Unglaubhafte vor: „Am 9. Oktober betrat die Frau ein Kebab-Speiselokal im Oberland. Sie ging in die Küche, entnahm dort ein Steakmesser mit einer Klingenlänge von zwölf Zentimetern und bewegte sich dann zielstrebig in den Kassabereich. Dort stach sie drei Mal mit der Klinge auf einen Mitarbeiter ein. Einmal in den Halsbereich, zwei Mal in den Rücken.“

Mit Besenstiel gewehrt

Es sei ein „glücklicher Zufall“ gewesen, dass das Opfer nur leichte Verletzungen erlitt, führt der öffentliche Ankläger weiter an. „Es waren die reflexartigen Bewegungen des Angegriffenen, die ihn vor weiteren Stichverletzungen, die durchaus lebensgefährlich hätten sein können, bewahrten. Er konnte sich auch noch mit einem Besenstiel zur Wehr setzen.“ Die Täterin wurde nur wenige Minuten später von der Polizei festgenommen. Seither befindet sich sich in psychiatrischer Behandlung im Landeskrankenhaus Rankweil. Der Vorwurf gegen sie lautet auf versuchten Mord. Doch gilt sie in dem Verfahren nicht als Angeklagte. Sondern als „Betroffene“. Weil die Frau die Tat unter Einfluss einer anhaltenden wahnhaften Störung beging. Also unter Einfluss einer Geisteskrankheit. Einer Psychose, die sie schuldunfähig macht.

Ihre Einvernahme durch den Vorsitzenden Richter Christoph Stadler währt nur kurz. Denn die Betroffene hat nicht viel zu sagen, außer: „Ich kann mich an nichts mehr erinnern.“ Gerichtspsychiater Reinhard Haller kommt zu Wort. Der Experte hat den Geisteszustand der Betroffenen untersucht. So wie auch mehrere andere Psychiater des LKH Rankweil.

Und alle kamen sie zum selben Ergebnis: „Die Frau leidet unter einer psychischen Erkrankung schweren Grades. Unter einer anhaltenden wahnhaften Störung“, sagt Haller, um zu ergänzen: „Solche Wahnvorstellungen, wie sie diese Frau hat, beinhalten ein extrem hohes Gefährdungspotenzial.“

Ein verstörendes Motiv

Der Gerichtpsychiater kommt auf das Tatmotiv der Betroffenen zu sprechen. „Die Frau leidet unter der Wahnvorstellung, als Kind von mehreren Männern vergewaltigt worden zu sein, auch von dem ihr völlig unbekannten Opfer im Speiselokal. Taten, die nicht der Wahrheit entsprechen, doch für die sie sich offenbar rächen wollte.“ Auch auf ihren eigenen Bruder sei die Frau dereinst schon mit einem Messer losgegangen. Hallers Ausführungen zufolge war sie während der Tat unzurechnungsfähig. Ihre Zukunftsprognose klingt zum derzeitigen Stand alles andere als günstig.

Einweisung

Die 30-Jährige gilt also weiterhin als gefährlich. Für die Bevölkerung und auch für sich selbst. Haller vertritt die Meinung, dass für die Betroffene nur eine stationäre Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum (ehemals Anstalt für abnorme Rechtsbrecher) infrage kommt. Der Verlauf der Behandlung werde zeigen, ob die Frau in fernerer Zukunft wieder entlassen werden könne.

Der Geschworenensenat folgt den Ausführungen Hallers. Es wird entschieden, die Betroffene bis auf Weiteres in das forensisch-therapeutische Zentrum im Landeskrankenhaus Rankweil unterzubringen. Die 30-Jährige selbst erklärt sich umgehend damit einverstanden. VN-gs

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