„Hörten das ‚Sieg Heil‘-Schreien der Jugend“

Lehrer Anton Fritz wurde von der NSDAP wie viele andere verhaftet.
Montafon Am 12. März jährte sich zum 85. Mal die Annexion Österreichs durch das NS-Deutschland. Um diesen Termin erfolgte im Jahr 1938 im ganzen Montafon die Machtübernahme durch NS-Aktivisten aus den einzelnen Gemeinden – noch bevor deutsche Militär- oder Polizeieinheiten im Tal eintrafen. Der „Anschluss“ geschah also nicht von außen, sondern ganz maßgeblich von innen, aus der Region und von Teilen der einheimischen Bevölkerung.
Gegner wurden festgenommen
Gegner des NS-Regimes wurden umgehend festgenommen. In diesem Zusammenhang berichtete der neue Schrunser NS-Bürgermeister Heinrich Dajeng, „daß man ein paar der vaterländischen Haupthetzer für ein Weilchen zu ihrem eigenen Schutz hinter Schloß und Riegel gesteckt habe“. Unter diesen Verhafteten waren zahlreiche Lehrer und auch der als Mitglied der Vaterländischen Front sowie der Heimwehr bekannte Schulleiter von Jetzmunt, Anton Fritz.
In seinem Tagebuch beschrieb dieser die Machtübernahme und sein Schicksal: „Es war ein furchtbarer Tag u. ich werde ihn nie vergessen. Auf der Straße hörte man ein wahnsinniges Motorengerassel, dazwischen immer wieder Schüsse u. Geschrei u. Lärm. Es waren, wie man später erfuhr, die Pg [Parteigenossen, Mitglieder der NSDAP] des Tales, die nach Bludenz und zurückfuhren u. Freudenschüsse u. Geschrei. […] Dann rief man mich [in Vandans] zum Posten hinein u. sagte ‚Ich muß Sie verhaften!‘ Ich sagte: ‚Handelt es sich um Schutzhaft?‘ Er: ‚Ja, Schutzhaft.‘ […] Dann nahm ich Abschied v. Frau u. Kindern, […].“
Mit zahlreichen anderen Lehrern aus dem ganzen Tal wurde Fritz im Bezirksgefängnis in Schruns, in dem heute das Montafoner Heimatmuseum untergebracht ist, inhaftiert. Von ihrer Zelle aus erlebten die politischen Häftlinge den großen Aufmarsch der NS-Anhängerschaft durch Schruns. Fritz schrieb in sein Tagebuch: „Am Sonntag nachmittags war großer Umzug; wir hörten das wahnsinnige stete ‚Sieg Heil‘-Schreien der Jugend u. die Blechmusik u.s.w. Unser Gefühl kann man sich denken. Bes. uns Lehrern tut das Kindergeschrei so weh. War alle unsere Arbeit vergebens?“
Wenige Tage später wurde Fritz zwar aus der Haft entlassen, aber dann 1940 an die „Nebenschule“ in Galgenul versetzt. Dort kam er 1943 mit dem HJ-Führer in Konflikt und wurde von der Gestapo verhört. Fritz wurde als Lehrer entlassen und entging einer Einweisung ins KZ Dachau nur aus Rücksicht auf seine vier Kinder. Nach Kriegsende wurde er rehabilitiert und wirkte als Schulleiter in Gortipohl.
Auszüge aus dem neu erschienenen Buch „Das Montafon unterm Hakenkreuz“ von Michael Kasper (Historiker und Leiter der Montafoner Museen)
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