Gerold Riedmann

Kommentar

Gerold Riedmann

Mikl-Kickl: der ­niederträchtige ­Niederösterreich-Pakt

Vorarlberg / 17.03.2023 • 20:30 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Wie egal kann einem sein Bundesland, wie groß der Hass auf die Sozialdemokratie noch sein, dass man einen Pakt mit wissenschafts- und fremdenfeindlichen Nationalisten eingeht?

Es ist ein Schlag ins Gesicht für Fortschritt und Wissenschaft. Das auf Wunsch der FPÖ zu Beginn eingeschobene Corona-Kapitel legt fest, dass Niederösterreich keine Werbemaßnahmen mehr für die Corona-Impfung durchführen wird. Ein 30-Millionen-Corona-Maßnahmen-Rache-Fonds soll unter anderem Mehraufwendungen für Homeschooling ersetzen. Die lärmende Corona-Demo-Minderheit soll gewonnen haben, die braven Deppen sollen wir gewesen sein. Und die einstige Volkspartei unterschreibt das, nur um an der Macht zu bleiben und keine Kindergärten bauen zu müssen?

Ein Schlag ins Gesicht für alle Frauen, die im Arbeitsübereinkommen außerhalb der Familien & Kinder-Seite gar nicht vorkommen (und im Integrationskapitel in einem grammatikalisch völlig fehlerhaften Satz ausgerichtet bekommen, dass geschlechterneutrale Sprache in Niederösterreich ab sofort nicht mehr vorgesehen ist).

Für FPÖ-Wähler*innen muss das ein Genuss sein, wenn Frauen nicht mehr gleichberechtigt angesprochen werden dürfen. Die Rechten als Verbots-Partei. Dämmert irgendjemandem, welch’ unverantwortliche Brandstifter da in führende Funktion gebracht wurden?

Ein doppelzüngiges, falsches Abkommen: Niederösterreich soll gleichzeitig jenes Land sein, das künftig umfassend international als Wirtschafts-, Tourismus-, Wissenschafts- und Kulturstandort positioniert werden soll. Und das für wirtschaftlich motivierte Zuwanderer möglichst unattraktiv gemacht werden soll. Getragen von Kickls Provokationen, ausgelebt von seinen niederösterreichischen Handlangern. Niederträchtiger hätte der Niederösterreich-Pakt der ÖVP mit der FPÖ nicht ausfallen können. Statt Gratiskindergarten Werbeverbot für Impfungen! Und eine Wirtshausprämie, aber nur für traditionelle Speisen! Fehlt nur noch, dass das Rauchen in der Gastronomie wieder erlaubt und Elektroautos verboten werden. Rassistische Retro-Politik für Realitätsverweigerer und Zukunftsängstliche. 2023 ist jenes Jahr, in dem sich Niederösterreich von den Werten der Aufklärung verabschiedet hat und selbst alternative Fakten schafft.

Türkis-Blau lag in der Luft, die ÖVP hatte meinungsumfragenbedingt eine Kehrtwende vom anfänglichen Nehammer-Groll auf Kickl vollzogen und hält die FPÖ für salonfähig. Dies ist eine Weichenstellung für die im kommenden Jahr anstehende Nationalratswahl, aber auch für die Vorarlberger Landtagswahl.

Auch der Vorarlberger Landeshauptmann wird einen stärkeren Partner als bisher benötigen. Die Grünen haben aufgrund zerstörter Vertrauensbasis keine Aussicht auf Fortsetzung der Koalition. Ob es mit den dank Claudia Gamon erstarkten Neos reichen könnte? Die SPÖ vielleicht, aber welche SPÖ? Bleiben also auch hierzulande die Blauen. Vor einigen Jahren galt die FPÖ als einfacher Koalitionspartner für die ÖVP (während man mit den anstrengenden Grünen so viel verhandeln musste, hätte die FPÖ alles unterschrieben, was man ihr vorlegte). Jetzt dürfte sich der Wind gedreht haben.

Offenbar unterschreibt die ÖVP jetzt einfach alles, nur um an der Macht zu bleiben.

Gerold Riedmann

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Gerold Riedmann ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.

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