Rechtsruck als mögliches Vorbild für den Bund

Schwarz-Blau dürfte nach der Einigung in Niederösterreich wohl auch wieder Thema für eine Bundesregierung werden.
St. Pölten Vor der Landtagswahl 2018 hatte Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) eine Zusammenarbeit mit Udo Landbauer, Landesparteichef der FPÖ, noch ausgeschlossen. Jetzt hat sie solch eines doch abgeschlossen: Volkspartei und Freiheitliche vereinbaren nach der Wahl Ende Jänner ein „Arbeitsübereinkommen“ für die kommende Legislaturperiode; sie gehen eine Koalition ein. Die FPÖ wird darin unter anderem weiterhin für Asyl und die Mindestsicherung verantwortlich sein.
„Wien noch Wien“
Und genau in diesem Bereich sorgte der bisherige freiheitliche Landesrat, Gottfried Waldhäusl, in den vergangenen Jahren für einige Schlagzeilen. Da war etwa das Flüchtlingsquartier für „auffällig gewordene minderjährige Flüchtlinge“, das der 57-Jährige mit Stacheldraht umzäunen ließ und das die Bewohner nur eine Stunde täglich in Begleitung verlassen durften. Und da war seine Aussage in einer Fernsehdiskussion gegenüber einer Schülerin mit Migrationshintergrund. Ihre Frage: „Was sagen Sie dazu, dass meine Klasse das Gymnasium in Wien nicht besuchen könnte, wenn Sie Ihre Maßnahmen durchgeführt hätten, weil die meisten Eltern einen Migrationshintergrund haben?“ Seine Antwort: „Dann wäre Wien noch Wien.“ Später bekräftigte er das. Er wird nun 2. Landtagspräsident.
Aber auch Landbauer, bald Landeshauptfrau-Stellvertreter, sah sich mit Vorwürfen konfrontiert. Während des Wahlkampfes 2018 tauchte etwa ein antisemitisches Liederbuch der Burschenschaft, deren stellvertretender Vorsitzender er damals war, auf.
Das alles scheint nun vergessen, mit ihrer Mehrheit im Landtag werden Schwarz und Blau die kommenden fünf Jahre bestreiten. Thematisch wollen sie – wohl gestützt auf die Forderungen der FPÖ in den Verhandlungen – den Fokus etwa auf die Abwicklung der Pandemie richten. Mit einem Fonds in Höhe von 30 Millionen Euro sollen „verfassungswidrige Corona-Strafen“ amtswegig zurückgezahlt werden. Zudem ist ein Verbot der Werbung über die Corona-Impfung durch das Land festgeschrieben.
Weichen neu gestellt
Für die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle (FH Kärnten) ist die neue Regierungskonstellation ein „symbolischer Akt“. Zwar sei die Zusammenarbeit von ÖVP und einer FPÖ unter Parteichef Herbert Kickl kein „Tabubruch“, weil es diese Konstellation schon seit 2021 in Oberösterreich gibt, die Weichen würden dennoch neu gestellt. Das hätte sich auch in der Rede von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) über seine Vision für das Jahr 2030 gezeigt: „Wenn man diese Rede als Grundlage für Verhandlungen und als Perspektive für 2030 nimmt, gibt es für die ÖVP nur einen logischen Partner: Die FPÖ.“ Auch weil die niederösterreichische die stärkste Landespartei und Johanna Mikl-Leitner womöglich die mächtigste Person innerhalb der ÖVP ist, könnte Niederösterreichs Landesregierung ein erster Testlauf für den Bund sein. Die Einigung sei überraschend gekommen, auch weil die Freiheitlichen eigentlich bisher ausschlossen, Mikl-Leitner als Landeshauptfrau zu ermöglichen und in der Vergangenheit harte Worte („Moslem-Mama-Mickl“) auspackten.
Auf Anfrage wollte sich Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) nicht äußern. Dafür steht Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP) für die Impfung ein: „Auch wenn wir rückblickend einzelne Maßnahmen mit heutigem Wissen nicht mehr oder anders umsetzen würden: Die Medikamente und Impfstoffe gegen das Covidvirus waren und sind der Schlüssel zur Bewältigung der Pandemie“, sagte sie auf VOL.at-Nachfrage. FPÖ-Chef Christof Bitschi sagte: „Ich begrüße, dass der Auftrag zur Veränderung und der Wählerwille berücksichtigt wird. Offensichtlich ist die ÖVP Niederösterreich über den eigenen Schatten gesprungen“, schrieb er. MAX

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