Die Gemeindevertretung hat weiter die Hand drauf

Vorarlberg / 19.03.2023 • 20:57 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Eine Volksabstimmung über diese Grundstücke hatte Auswirkungen weit über Ludesch hinaus.LERCH
Eine Volksabstimmung über diese Grundstücke hatte Auswirkungen weit über Ludesch hinaus.LERCH

Volksabstimmungen gegen den Willen der Volksvertreter kann es wohl weiter nicht geben. Die Alternative sei aber nicht so schlecht.

Bregenz Zunächst zum Wichtigsten: „Die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes […] hat zur Folge, dass die Länder bei der Ausgestaltung direktdemokratischer Instrumente auf Gemeindeebene über einen nur beschränkten Spielraum verfügen“, schreibt das Institut für Föderalismus in seinem aktuellen Bericht über die direkte Demokratie auf Gemeindeebene. Das bedeutet: „Die Gemeindevertretung […] darf nicht gegen seinen Willen einer rechtlich verbindlichen Entscheidung des Gemeindevolkes unterworfen werden.“

Diese engen Schranken für direktdemokratische Elemente auf Gemeindeebene sind Resultat eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes, erläutert Peter Bußjäger, Direktor des Instituts, den Vorarlberger Nachrichten. Das Höchstgericht kippte – anlässlich einer Volksabstimmung in Ludesch über Grundstückswidmungen – Ende 2020 die Möglichkeit, verbindliche Volksabstimmungen gegen den Willen der Gemeindevertretung „aus dem Volk heraus“ zu erzwingen. Das wiederherzustellen bedürfte einer Gesamtänderung der Bundesverfassung, also einer bundesweiten Volksabstimmung. Denn es widerspreche dem System der repräsentativen Demokratie.

Gelungene neue Variante

Also wurde das Institut von der Landeshauptleutekonferenz beauftragt, andere mögliche direktdemokratische Elemente auf Gemeindeebene in einem Bericht auszuloten. Darin kommen die Verfassungsexperten zum Schluss, dass das neue Vorarlberger Modell verfassungskonform und damit auch auf andere Bundesländer umlegbar wäre: Seit Anfang des Jahres münden Anträge auf Volksabstimmungen, die die Gemeindevertretung ablehnt, automatisch in einer unverbindlichen Volksabstimmung.

Außerdem wäre es laut Institut auch (noch) zulässig, „wenn als Folge des Verschweigens der Gemeindevertretung innerhalb angemessener Frist […] eine Volksabstimmung stattfindet“. Oder auf Deutsch: Entscheidet die Gemeindevertretung nicht über einen Antrag auf Volksabstimmung, könnte sie wohl dennoch stattfinden. Und dann auch verbindlich sein.

Peter Bußjäger hält die aktuelle für eine praktikable Lösung: „Realpolitisch wird sich jede Gemeinde schwer tun, eine abgehaltene Volksbefragung zu ignorieren.“ Da sei der Druck – gerade in den Gemeinden – sehr schnell sehr groß: „Von dem her würde ich das Modell gar nicht so schlechtreden. Wenn man die anderen Instrumente wirklich propagiert, sehe ich nicht wirklich einen Nachteil für die direkte Demokratie.“

Ball liegt beim Bund

Bußjäger verweist außerdem darauf, dass eine Gesamtänderung der Verfassung ausschließlich Bundessache ist: „Der Landesgesetzgeber hat das nicht in der Hand.“

Forderungen wie vom „Netzwerk Volksabstimmen über Volksabstimmen“ sieht Bußjäger deswegen kritisch: „Aus meiner Sicht könnte man höchstens eine Volksbefragung darüber abhalten, ob sich die Landesregierung in Wien für das alte Modell einsetzen soll.“ Außerdem bestehe die Gefahr einer niedrigen Wahlbeteiligung: „Ich habe so meine Bedenken, ob man die Menschen damit nicht eher vom Thema vergraulen würde und dass der Plan dadurch nach hinten losgeht.“ MAX

„Im neuen System sehe ich nicht wirklich einen Nachteil für die direkte Demokratie.“

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