Kehrseite der wärmeren Winter

Vorarlberg / 19.03.2023 • 19:48 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Die Nachteile, die mit der Folge des Klimawandels einhergehen, überwiegen.

Feldkirch Winter sind in den vergangenen Jahren auch in Vorarlberg milder geworden. Die Veränderung mag wenige Grad Celsius betragen, wie groß die Wirkung ist, erkennt man jedoch daran: In Feldkirch zum Beispiel gibt es im Mittel kaum noch Eistage, an denen das Thermometer durchgehend unter null bleibt. Alexander Orlik von „GeoSphere Austria“ (ehemals ZAMG) hat es für die VN ausgewertet: Bis in die 1990er-Jahre hinein handelte es sich um durchschnittlich 20, 30 pro Jahr. Vor allem seit Mitte der 2000er-Jahre ist es zu einem deutlichen Rückgang gekommen. Aktuell sind es nur noch fünf.

Eine Folge der Erwärmung ist, dass weniger geheizt werden muss. Pro Grad, das es in einem Winter wärmer ist, handelt es sich laut Martin Ploß vom Energieinstitut Vorarlberg bei schlecht gedämmten Gebäuden etwa um sechs Prozent. Eine eigene Studie des Instituts habe zudem ergeben, dass der gesamte Heizwärmeverbrauch im Land aufgrund des Klimawandels bis 2070 um 14 Prozent zurückgehen könnte.

Für sich genommen klingt das gut. Aber: „Wenn man bis 2040 wirklich klimaneutral werden will, muss der Verbrauch im Gebäudesektor um 30, 40 Prozent reduziert werden.“ Ein Problem bei alledem sei, dass Heizen sehr energieintensiv ist und in einer Zeit anfällt, in der unter anderem klimafreundliche Photovoltaikanlagen nicht viel hergeben.

„Saisonstart mit leeren Akkus“

Die Freude über den geringeren Heizbedarf kann sich im Übrigen nur auf wenige Aspekte, wie eine kleinere Belastung des Haushaltsbudgets, beschränken. Und selbst da vergeht sie schnell, wie der Stadtklimatologe Simon Tschannett verdeutlicht: „Es ist eine enge Betrachtung, nur zu sehen, dass man bei uns weniger heizen muss und dass die Klimakrise daher durchaus auch positive Seiten habe. In anderen Gegenden schaut es ganz anders aus: In Frankreich herrscht Dürre, gibt es viel zu wenig Wasser. Bei uns steht Ähnliches im Raum. Die Landwirtschaftskammer spricht aufgrund der Trockenheit von einem Saisonstart mit leeren Akkus.“

Man müsse die Krisenfolgen gesamthaft betrachten, so Tschannett: Wenn es weniger kalt werde, bedeute das zum Beispiel auch, dass Krankheiten zu uns kommen könnten, die bisher in unseren Breiten nicht aufgetreten sind: „So werden etwa Stechmückenarten aus wärmeren Regionen der Welt heimisch bei uns, denen es bisher zu kalt gewesen wäre. Durch sie können Krankheiten übertragen werden, deren Erreger über die milderen Winter nicht absterben.“ Außerdem werde es nicht nur im Winter wärmer, sondern im gesamtem Jahr: „Im Sommer gibt es daher immer mehr Hitzetage. Mit ihnen geht eine Verringerung der Leistungsfähigkeit sowie eine Übersterblichkeit einher. Versuche, sich daran anzupassen, indem man überall Klimaanlagen installiert, sind verhängnisvoll. Klimaanlagen brauchen erst recht wieder sehr viel Energie.“

Immerhin: „Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist uns klargemacht worden, dass wir noch viel zu wenig auf lokale erneuerbare Energien umgestellt haben. Gerade auch beim Heizen“, analysiert der Klimatologe: „Dabei müssen Technologien dazu nicht mehr erfunden werden. Es gibt sie. Beispiel Wärmepumpen. Sie müssen nur eingesetzt werden.“ JOH

„Es ist eine enge Betrachtung, nur zu sehen, dass man bei uns weniger heizen muss.“

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