Historische Plätze als Theaterbühne

Das erfolgreiche teatro caprile feiert in diesem Jahr das 30-jährige Jubiläum.
FRASTANZ, WIEN Das teatro caprile wurde im Jahr 1993 von der Schauspielerin Katharina Grabher aus Frastanz, dem Schauspieler und Theaterwissenschaftler Andreas Kosek aus Wien sowie dem Ethnologen Mark Német, ebenfalls aus Wien und mit ungarischen Wurzeln, gegründet. Seither waren zahlreiche innovative Inszenierungen sowohl in mitteleuropäischen Ländern als eben auch in Vorarlberg zu sehen. Auch im dreißigsten Jahr warten Katharina Grabher und Andreas Kosek mit spannenden Produktionen auf.
Was bedeutet der Name caprile?
KOSEK Das rätoromanische „caprile“ heißt „Ziegenstall“. Das klingt wunderschön. Die Ziege verweist auf unsere Neugierde und Eigenwilligkeit, der Stall benennt die finanzielle und infrastrukturelle Heimat freier Theatergruppen abseits der großen Geldtöpfe und Hightech-Bühnen.
Welche Bedeutung hat das Theater im Allgemeinen für Sie?
KOSEK Theater ist für uns die lebendigste Kunstform um Geschichten zu erzählen. Es basiert auf der wunderbar naiven Übereinkunft zwischen Publikum und Ausführenden, dass das, was im Moment passiert, echt ist, sodass mit den einfachsten Mitteln jede Situation erzeugt werden kann. Und Theater ist Kommunikation mit dem Publikum, je geringer die räumliche Distanz, desto intensiver!

Eine Besonderheit Ihrer Theateraufführungen bilden die Räume, die bespielt werden. Wie können sich das unsere Leser vorstellen?
KOSEK Selten sieht man uns in herkömmlichen Veranstaltungsräumen. Wir bevorzugen Orte, die etwas erzählen. Mit Gegebenheiten wie Säulen oder Stufen versuchen wir zu spielen. Dies natürlich intensiver, wenn wir für diesen Raum (Artenne oder vorarlberg museum) inszenieren, aber auch, wenn wir „nur“ gastieren. Besonders schön war das bei unseren Aufführungen in Kirchen, da jeder Sakralbau seine ganz besondere Atmosphäre hat, die wir als zusätzliche Stimme unbedingt einbeziehen wollten. Seit der ersten „Flucht“ in Gargellen 2013 wissen wir außerdem, dass wir mit der Landschaft kooperieren können, indem wir Steigungen, Hitze, Wind und Wetter (in Lech auch den Schnee) etc. zu unseren Partnern machen.
Ihre Produktionen zeichnen sich unter anderem auch durch „Koffertauglichkeit“ und „Reisefreiheit“ aus. Was bedeuten diese beiden Begriffe?
KOSEK Die meisten unserer Inszenierungen kommen mit wenigen Kostümen aus und wenn‘s notwendig ist füllen wir einen zusätzlichen Koffer mit kleinen Spots, Farbfiltern und Kabeln. Frei von Kisten oder gar Containern mit Bühnenelementen konnten wir vergleichsweise einfach Gastspiele u.a. in Brüssel und Czernowitz, Teheran und Tiflis, Ulm und Zagreb durchführen.

Auf welche Weise finden Sie Inspiration für Ihre Stücke?
KOSEK Die ersten Anregungen kommen meist von außen, mal als Thema, mal als Einladung einen Raum oder eine Landschaft zu bespielen. Und schon erinnern wir Gelesenes, Gehörtes, das dazu passen könnte, woraus sofort neue Assoziationen sprießen. Voraussetzung ist ein stets wacher Geist verbunden mit der Fähigkeit, sich sofort szenische Abläufe vorstellen zu können. Der nächste Schritt ist die Teamarbeit, die neue Ideen bringt und auch vieles verwirft.
Gesellschaftspolitische Themen und soziale Aspekte bilden in Ihren Bearbeitungen einen wesentlichen Aspekt. Aus welchem Grund haben Sie sich dafür entschieden?
KOSEK Kunst sollte stets die Zeit, in der sie entsteht, reflektieren, sich mit deren Gegebenheiten und sozialen Problemen auseinandersetzen und gerade auch das Uneindeutige, die Übergänge sicht- und hörbar machen. Wir wollen mit unseren künstlerischen Werkzeugen die richtigen Fragen stellen, die zur Selbstreflexion und einer Toleranz für die Vielfalt führen. Ein Weg ist die Belebung trockener Fakten aus Sachbüchern und akademischen Zirkeln. Wichtig ist uns aber auch, dass dabei das Augenzwinkern und der Humor nicht zu kurz kommen.
Im Jubiläumsjahr steht bei den neuen Produktionen in Vorarlberg die örtliche Industrialisierungsgeschichte im Mittelpunkt. Was kann das Publikum im Rahmen dieser Aufführungen erwarten?
KOSEK Unser Dorfspaziergang zum neuen Wirtschaftslehrpfad in Frastanz bereichert die sachlichen Info-Würfel mit informativen und auch amüsanten Szenen. Tanzsequenzen verführen zu einem anderen Blick auf Gebäude und Objekte. Anders als in unseren „Fabrikler“-Lesungen (28.4. Dornbirn, 30.4. Nenzing) fließen in das Stück „Fabrikler“ (ab 12. Oktober in der Villa Falkenhorst) auch Interviews u.a. mit ehemaligen Arbeiterinnen und Arbeitern der Firma Kastner in Thüringen ein. Dadurch werden die Entwicklungen der Unternehmen, die die Region prägten mit persönlichen Erinnerungen von Walgauern verknüpft.
andreas kosek
Geboren 06. November 1959
Wohnort Wien
Laufbahn Studium der Theaterwissenschaften und Germanistik, für einige Jahre parallel zum Theater Postbeamter im Innendienst
Hobbys Wandern mit Berg- und Schneeschuh
Familie in einer Beziehung
Lebensmotto Nachhaltig genießen
KATHARINA GRABHER
Geboren 16.06.1959
Wohnort Frastanz/Wien
Laufbahn Akademie für Sozialarbeit, Studium der Theaterwissenschaft und Schauspielausbildung
Hobbys na caprile, Wein und Skifahren auf der Bazora
Lebensmotto „Genauigkeit kommt immer der Schönheit zugute und richtiges Denken dem zarten Gefühl“ (Th .W. Adorno)

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