„Jede Schulsprecherwahl ist besser organisiert”
SPÖ einigte sich nach zähen Besprechungen auf Modus. Politologe Filzmaier kritisiert Vorgangsweise.
Wien, Schwarzach Die Mitgliederbefragung über den künftigen Vorsitz hält die SPÖ auf Trab. Ganze 73 Interessenten gibt es. Nach langen und zähen Präsidiums- und Vorstandssitzungen zu Wochenbeginn in Wien ist nun zumindest der Modus für die Befragung klar. Wirklich einig präsentiert sich die SPÖ aber nach wie vor nicht. Vorarlbergs SPÖ-Chefin Gabriele Sprickler-Falschlunger räumt ein, dass es wohl ein Fehler war, zu kommunizieren, jeder oder jede könne antreten. Dass Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch nur von einem „Stimmungsbild“ sprach, verteidigt sie. Eine Befragung allein reiche nicht aus. Das gäben die Statuten nicht her. „Einen Parteitag brauchen wir immer.“ Aber die Delegierten dürften sich an dieses Stimmungsbild halten, glaubt sie. Politologe Peter Filzmaier findet deutliche Worte: Die Partei gebe ein „desaströses Bild“ ab.
73 Anwärterinnen und Anwärter
Fest steht: Die Mitgliederbefragung hat reges Interesse an der SPÖ ausgelöst. 73 Personen haben sich für den Vorsitz beworben. Die aussichtsreichsten Anwärter sind die aktuelle Chefin Pamela Rendi-Wagner, Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler. Rund 9000 neue Mitglieder sind neu in die SPÖ eingetreten. In Vorarlberg waren es bis Freitag an die 100 Personen, sagt Sprickler-Falschlunger. Auch ein bislang unbekannter Vorarlberger hat sich für den Vorsitz beworben. Vorgesehen ist nun, dass er und die übrigen Interessenten, 73 an der Zahl, Unterstützungserklärungen von 30 SPÖ-Mitgliedern vorweisen müssen. Sie haben noch diese Woche Zeit dafür, brauchen allerdings unter anderem auch einen Strafregisternachweis, das Bekenntnis, in Österreich passiv wahlberechtigt zu sein und keiner anderen Partei anzugehören sowie einen Nachweis über einbezahlten Mitgliedsbeitrag.
Bundesgeschäftsführer Deutsch hatte zuvor gesagt, dass es keine Stichwahl brauche, sollte niemand eine absolute Mehrheit bekommen. Bei der Mitgliederbefragung handle es sich nur um ein Stimmungsbild beziehungsweise um eine Willenskundgebung. Daran hatte sich viel Kritik entzündet. Die Vorarlberger SPÖ-Chefin verweist auf die Parteistatuten, die nun einmal einen Parteitag für die Entscheidung vorsähen. „Weder Christian Deutsch noch Pamela Rendi-Wagner wollten die Befragung. Es war der Wunsch von Doskozil, den manche Landesorganisationen unterstützt haben. Man ist ihm entgegengekommen.“ Ein genaues Regelwerk dafür gebe es nicht. Dass dies alles etwas holprig abgelaufen sei, habe auch mit dem Zeitdruck zu tun, unter dem die Partei stehe. Innerhalb weniger Tage habe sie nun eine Lösung gefunden.
Sprickler-Falschlunger hält es jedenfalls für wahrscheinlich, dass sich die Delegierten auf dem Parteitag wohl größtenteils daran halten würden, was die Mitgliederbefragung ergibt. Rendi-Wagner und Doskozil erklärten auch bereits, das Ergebnis der Befragung zu respektieren.
„Offenbar überrumpelt“
Kritisch fällt das Urteil des Politikwissenschaftlers Filzmaier aus. Nicht in den Details, etwa der genauen Zahl der Unterstützungserklärungen oder dem Befragungszeitpunkt, sieht er im VN-Gespräch den Knackpunkt. Vielmehr bezeichnet er es als unprofessionell, dass die Regeln erst jetzt, im Nachhinein, festgelegt würden. „Jede Schulsprecherwahl ist besser organisiert.“ Insgesamt liefere die Partei ein „desaströses Bild“ ab. „Offensichtlich entsteht auch der Eindruck, dass im Hintergrund ein Streit jeder gegen jeden entbrannt ist.“ Nicht das direktdemokratische Element, nicht einmal die hohe Zahl an Interessenten für den Vorsitz sei problematisch, stellt der Politologe klar. „Das muss eine parteiinterne Demokratie aushalten. Das Problem ist, dass man offenbar nach der Entscheidung zur Befragung völlig überrumpelt wurde.“
Was die Debatte rund um die Aussagekraft dieser angeht, bemüht der Experte einen Vergleich mit der Volksbefragung zur Wehrpflicht 2013. „Damals haben es alle Parteien geschafft, klar zu kommunizieren, dass das Ergebnis zwar nicht bindend ist, man sich aber daran hält. Warum schafft man es nicht bei der eigenen Mitgliederbefragung, unabhängig von der formalen Richtigkeit, von vornherein alle Zweifel auszuräumen?“ vn-ram
„Offenbar wurde man nach der Entscheidung zur Befragung völlig überrumpelt.“
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