Autounfall im Silbertal: Sie lebten und starben zusammen

Gustl und Hilda Loretz liebten sich innig. Der Wunsch des Ehepaares, miteinander zu sterben, ging in Erfüllung.
Silbertal Als sich Hilda und Gustl Loretz im Jahr 1960 beim Kilbitanz im Silbertal kennenlernten, war beiden schnell klar: Das ist der Mensch, mit dem ich alt werden möchte. Nach zwei Jahren „Stubate“ heiratete das verliebte Pärchen. Zusammen brachte es das tüchtige Ehepaar weit. Mit ihrer Hände Arbeit bauten sie sich einen gewissen Wohlstand auf. Gustl verdiente unter anderem als Verputzer sein Geld. Auch in seiner Freizeit war der begnadete Handwerker fleißig. Es gibt wohl nur wenige Häuser in Silbertal, in denen Gustl nicht eine Mauer aufgezogen oder „Plättile“ verlegt hat.

Seine Frau Hilda stand ihm in Sachen Fleiß um nichts nach. Sie kümmerte sich fürsorglich um die sechs Kinder, schmiss den Haushalt und den großen Garten und beherbergte über Jahrzehnte Feriengäste, denen sie eine hervorragende Gastgeberin war. Jeder hatte seine Aufgabe in der Ehe, aber Gustl und Hilda verbrachten auch viel Zeit miteinander.

Gemeinsam sorgten sie für ihre 25 Schafe und ihre 40 Bienenvölker. Die Imkerei war ihre große Leidenschaft. Unermüdlich hegte und pflegte das Ehepaar seine Bienen am Kristberg und im Frauenlob.
Bis zur Pensionierung stand im Leben der Loretz‘ die Arbeit im Vordergrund. „Urlaubsreisen haben wir nie gemacht, dafür schöne Ausflüge an den Sonntagen“, erinnert sich Helga, die älteste Tochter.

Als Gustl in den Ruhestand kam, bereiste er mit seiner Frau die halbe Welt. Auch zuhause, im Silbertal, sah man sie fast nur zu zweit. Das Ehepaar besuchte öfters kranke Menschen im Dorf und schenkte ihnen einen „Genesungshonig“. Den sechs Kindern waren die Eltern nicht nur wegen ihres sozialen Engagements ein Vorbild, sondern auch wegen ihrer harmonischen Beziehung. „Einmal fragte ich Mama: ,Sag‘ mal, streiten du und Däta nie?‘ Mama antwortete mir: ,Nachts, wenn ihr im Bett seid, streiten wir manchmal, aber auch nur wegen euch Kinder‘“, erinnert sich Helga.

Gustl und Hilda waren ein Team, ein gutes Team. Ihre Verbundenheit war so tief, dass sie ohne den anderen kaum sein konnten. „Wenn Däta im Spital war, mussten wir ihm versprechen, dass wir gut auf Mama schauen. Manchmal hat er sich einfach selbst entlassen, um so schnell wie möglich wieder zu Mama heimzukommen“, zeigt Tochter Petra auf, dass ihrem Vater das Wohlergehen seiner Gefährtin das Wichtigste war. Auch Hilda sorgte sich sehr um ihren zehn Jahre älteren Mann. „Im Alter hatte sie Däta nicht sicher. Wenn er in seiner Werkstatt war, ging Mama jede halbe Stunde nach ihm schauen.“
Im vergangenen Jahr feierte das Ehepaar die diamantene Hochzeit im Kreise seiner großen Familie. „Unsere Eltern waren sehr gläubig. Es war ihnen wichtig, vor dem Altar ihr Eheversprechen zu erneuern“, erzählt Petra. Und: „Däta kaufte Mama für diesen Anlass einen schönen Ring. Der alte Ehering passte ihr nicht mehr.“ Die Zeremonie zum 60. Hochzeitstag der Eltern bleibt der Familie unvergessen. Tochter Doris denkt gern daran zurück. „Mama und Däta küssten sich innig vor dem Altar. Danach sagte mein Mann zu ihnen: ,Heute habt ihr aber viel geküsst.‘ Daraufhin erwiderten meine Eltern: ,Ihr seht uns nicht immer, wenn wir küssen.‘“

Mehr als 60 Jahre gingen Hilda und Gustl Hand in Hand durchs Leben. Gemeinsam – das beschrieb ihre Liebe und ihr Leben wohl am besten. Selbst der Tod berücksichtigte dies und nahm sie am selben Tag – am 4. März 2023 – mit sich fort.
Bei einem Autounfall am 28. Februar im Silbertal wurde das Ehepaar schwer verletzt. Zunächst waren beide noch bei Bewusstsein. „Däta fragte als Erstes nach Mama. Auch Mama wollte wissen, wie es um den Däta steht“, gibt Sabine, die jüngste Tochter, Einblick in die letzten Tage ihrer Eltern. In den folgenden Tagen verschlechterte sich der Zustand von Gustl und Hilda. „Mama wurde ins künstliche Koma versetzt, Papa musste auf die Intensivstation verlegt werden.“

Gustl wollte seine Hilda unbedingt noch einmal sehen. „Das ging aber nicht, weil Mama an Maschinen angeschlossen war. Ich habe dann ein Foto von ihr gemacht und es Däta gezeigt. Er winkte dem Foto zu.“ Der 90-Jährige wusste, dass seine Stunde gekommen war. „Er sagte mir, dass er seine verstorbenen Geschwister gesehen hätte und diese auf ihn warten würden.“ Alle sechs Kinder hatten sich inzwischen um den sterbenden Vater versammelt.
Um 9 Uhr ging Gustl für immer, seine Frau folgte ihm um 11 Uhr nach. „Gleich nach dem Tod unseres Dätas gingen wir zu Mama, die im Koma lag. Über ihre Wangen liefen Tränen.“


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