Doris Knecht

Kommentar

Doris Knecht

Das Gras ist hier viel grüner

Vorarlberg / 03.04.2023 • 19:39 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Endlich wieder ein paar Tage Ländle. Wie meine Bahnfahrten sich im Vergleich zu früher verändert haben, in den letzten zwanzig Jahren … Erstens, sie sind kürzer. (Oder: sie wären kürzer, wären nicht beide Züge verspätet.) Zweitens: Ich bin nicht mehr allein mit Baby-/Kleinkind-/Schülerzwillingen unterwegs, wie früher so oft. Jetzt reisen drei Erwachsene, von denen ich zwei nicht mehr „Kinder“ nennen darf, und ein Hund.

Und dann geht die Reise so: Der Hund merkt schon am Weg zur U-Bahn, dass etwas anders ist als sonst, zieht aufgeregt an der Leine; ich trage mein Gepäck nicht zufällig am Rücken. Ich bin, wen wundert‘s, immer zu früh dran, die U-Bahn könnte stecken bleiben (das ist schon passiert! Zum Glück war ich zu früh dran!), der Bahnsteig könnte verstopft sein, sonst fällt mir nichts ein, trotzdem. Meistens treffe ich die „Kinder“ am Bahnsteig, was den Hund lautstark begeistert, das ist das erste Mal, dass die Leute sich nach uns umdrehen.

Nicht das letzte Mal, denn der Hund wartet nicht gern. Wir stehen am Bahnsteig und ersehnen die Einfahrt des Zuges, lange, erstens sind wir zu früh dran, zweitens hat der Zug jetzt schon Verspätung. Dem Hund ist langweilig, er weiß, dass wir uns in einer Art Limbus befinden, einer Zwischenwelt, zwischen eben und dann, oder wie der Sänger und Dichter Peter Licht sagt: „Alles, was ist, dauert drei Sekunden, eine Sekunde für vorher, eine für nachher, eine für mittendrin.“

Die Sekunde mittendrin dauert in diesem Fall ein bisschen länger, endlos lang, sie hört gar nicht mehr auf. Der Hund kreischt, bellt, kläfft, quietscht und winselt. Rundherum bekreuzigen sich die Leute und schicken kleine Stoßgebete zu ihren jeweiligen Gottheiten, dass wir bittebitte im Zug weit von ihnen weg sitzen oder, falls nicht, nur bis St. Pölten fahren, was angesichts unserer Gepäckmengen leider unwahrscheinlich ist. Wir fahren durch bis Feldkirch! Sorry!

Wir steigen ein, der Hund jault und fiepst in einer nervenzerfetzenden Frequenz, die Leute, die schon im Zug sitzen, starren uns an, Horror im Blick. Wir suchen unsere Plätze, schlichten uns ein, legen dem Hund seine Decke unter den Tisch, und kaum fährt der Zug los, fällt der Hund um und gibt keinen Laut mehr von sich, bis wir aussteigen. Zum Glück weiß ich das schon vorher, sonst wüsste ich nicht.

Jetzt schreibe ich diese Kolumne live von der Kücheneckbank meiner Eltern, wo wie durch Zauberhand Kaffee und kleine Schoko-Eier neben meinem Computer auftauchen, es ist herrlich. Auch die Primeln, die Veilchen und die Traubenhyazinthen blühen hier schöner und österlicher als anderswo. Das Wetter könnte milder sein, aber sonst … Trotzdem reisen der Hund und ich morgen schon wieder zurück, und ich glaube, unsere Mitreisenden freuen sich schon.

„Auch die Primeln, die Veilchen und die Traubenhyazinthen blühen hier schöner und österlicher als anderswo.“

Doris Knecht

doris.knecht@vn.at

Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.

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