Das Schicksal führte sie nach Südafrika

Das Ehepaar Zortea aus Lochau lernte Südafrika kennen, weil der Sohn 1983 in Kapstadt schwer verunglückte.
Lochau Südafrika spielte im Leben des Ehepaares Christel und Helmwart Zortea eine besondere Rolle, zunächst eine fatale. Alexander, der Sohn des Paares aus Lochau, wollte nach der Matura sein Englisch perfektionieren. Deshalb ging er 1982 nach Kapstadt. Dort arbeitete der junge Mann als Sales Manager für die Textilfirma Benedikt Mäser. Alexander fühlte sich wohl in der Metropole an der Tafelbucht des Atlantischen Ozeans. Mit Begeisterung tauchte er in das Großstadtleben ein. Das Leben in Südafrika hatte für ihn vielverheißend begonnen. Ein Verkehrsunfall am 27. August 1983 beendete dieses jedoch abrupt. Nach einem Discobesuch schlief der damals 21-Jährige auf dem Heimweg am Steuer seines VW-Cabrios ein (Sekundenschlaf). Das Auto rammte den Randstein und prallte in der Folge in einen Baum. Alexander erlitt bei dem Unfall schwerste Kopfverletzungen und rang sieben Wochen um sein Leben.
15 Jahre bis zur Akzeptanz
„Von einer Sekunde zur anderen änderte sich unser Leben“, beginnen Alexanders Eltern von der schwersten Zeit ihres Lebens zu erzählen. Sie flogen damals umgehend nach Südafrika. „Man sagte uns, dass wir sofort kommen sollen, wenn wir unseren Sohn noch lebend sehen wollen.“ Drei Monate lang wurde Alexander im Groote Schuur Hospital behandelt. Seine Mutter, die bei Freunden in Kapstadt unterkam, kam ihn jeden Tag besuchen. Stundenlang saß Christel an seinem Bett und redete mit ihm, auch als er noch im Koma war. Die Chefsekretärin gab ihren Job beim AMS auf, „weil mich mein Kind brauchte“. Nach drei Monaten wurde Alexander in die Innsbrucker Klinik überstellt. Dort verbrachte er nochmals drei Monate. „In Innsbruck lernte unser Sohn wieder gehen, reden und essen.“ Aber Alexanders Kopfverletzungen waren so gravierend, dass er gehandicapt blieb und seinen Alltag nicht mehr allein meistern konnte. Seine Mutter trainierte intensiv mit ihm, spielte mit ihm „bis zum Umfallen“ Spiele, die sein Gehirn trainierten. Von ihrem Hausarzt bekam die engagierte Mama einmal ein großes Lob. „Christel, dass Alexander so gut beieinander ist, das hat er dir zu verdanken.“ Bescheiden meint sie heute dazu: „Eine Mama tut automatisch das Richtige, also das, was dem Kind guttut.“ Aber die Mutter brauchte lange, um ihren Sohn so akzeptieren zu können, wie er nun war, mit seinem Handikap und seinem veränderten Aussehen. „15 Jahre lang hatte ich den alten Alexander im Kopf.“
Der Schicksalsschlag dividierte die Familie nicht auseinander, sondern schweißte sie noch enger zusammen. „Der Zusammenhalt in unserer Familie ist groß“, freut sich Christels Mann Helmwart, „unsere Tochter Beate hat uns vier Enkel geschenkt. Und Alexander ist mittlerweile in Pension. Er hat 34 Jahre lang bei der Firma Vorwerk gearbeitet.“ Längst haben sich die Zorteas mit ihrem Schicksal ausgesöhnt – zumal auf die schweren Jahre gute folgten. „1989 flogen wir mit Alexander noch einmal nach Kapstadt. Wir wollten wissen, wie weit seine Erinnerungen reichen.“ Sechs Wochen blieb das Trio in Südafrika, reiste quer durchs Land. Die Schönheit des Landes, seine bunte Bevölkerung und faszinierende Tierwelt begeisterte sie. „Wir sahen Tiere in freier Wildbahn, Giraffen, die so hoch wie unser Haus waren, und Nashörner, die miteinander kämpften.“ Die Zorteas versprachen ihren Freunden in Kapstadt wiederzukommen. „Sobald ich in Pension bin, besuchen wir euch wieder“, beteuerte Helmwart, der mit seinen 86 Jahren noch sehr agil ist. 1995 kam der Elektriker, der in der Telekommunikation gearbeitet hatte, in Rente und löste sein Versprechen ein. „Wir haben uns dann eine Wohnung in Kapstadt gekauft, weil uns die Stadt so gefiel und wir dem Winter in Vorarlberg entfliehen wollten.“ Ab da weilte das Ehepaar jedes Jahr von November bis März in Kapstadt. Das Paar genoss diese Zeit immer sehr, allein schon wegen der angenehmen Temperaturen dort (zwischen 25 und 30 Grad) und seines Freundeskreises. „Für die Einheimischen waren wir die ,Schwalben‘, weil die wie wir im Herbst in den Süden ziehen“, erzählt Christel lächelnd. Doch dann verdunkeln sich die Augen der 82-Jährigen. „Ich bekomme Heimweh, wenn ich an Südafrika denke. Es war unsere zweite Heimat.“ Aber das Ehepaar ist inzwischen in einem Alter, in dem das Reisen beschwerlich wird. Deshalb verkauften die Zorteas ihre Wohnung in Kapstadt. An den Winter hier haben sie sich aber noch immer nicht gewöhnt. „Wir frieren ständig.“ vn-kum


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