Kalendersprüche
Am 7. Jänner 2020 wurde die türkis-grüne Bundesregierung angelobt und seither wird über ihr vorzeitiges Scheitern spekuliert. Obwohl von 17 Mitgliedern der Ursprungsbesetzung nur noch sieben ihren Aufgaben nachgehen, ist die Regierung weiterhin im Amt. Viele haben wohl inzwischen ihren Wetteinsatz verspielt oder werden es noch. Denn es gibt zu viele offene Fragen über Sinn und Risiko vorgezogener Neuwahlen.
Wer? Das Ende der Regierung kann nur einer der beiden Koalitionspartner verkünden. Doch die Grünen hielten sogar alle Chatprotokolle und Umbildungen aus. Sie hoffen lieber auf ihre Prestigeprojekte wie Klimaschutzgesetz oder Informationsfreiheit, als auf die unsichere Option einer Ampelmehrheit zu warten. Selbst wenn manchmal die Nerven reißen, wie kürzlich bei Sozialminister Rauch. Die ÖVP plakatiert in diesen Tagen: „Der Kanzler arbeitet für Österreich. Die Opposition streitet.“ (Das ist übrigens eine sehr verkürzte Unterstellung. Weder bei FPÖ noch bei den Neos sind nennenswerte interne Auseinandersetzungen bekannt.) Die Frühjahrskampagne ist jedenfalls als Versprechen des Bundeskanzlers zu sehen, denn in einem Wahlkampf arbeitet weder die Regierung noch ihr Chef.
Warum? Das Ende einer Regierung anzukündigen, geht manchmal gut (Sebastian Kurz „Genug ist genug“ 2017) und manchmal schlecht (Wilhelm Molterer „Es reicht“ 2008). Jedenfalls braucht es dazu einen triftigen Grund, der bestenfalls im Einflussbereich des Partners liegt. Prädestiniert sind dafür Budgetverhandlungen, wenn klar wird, dass die in Zahlen gegossene Politik auch für das kommende Jahr Leuchttürme auf der Parteispielwiese verhindert. Doch was folgt danach? Die FPÖ liegt in allen Umfragen voran und könnte sowohl mit ÖVP als auch SPÖ eine Mehrheit bilden. Die Perspektive als Juniorpartner ist vor allem für die Kanzlerpartei mäßig attraktiv und die Hoffnung auf eine Trendumkehr offensichtlich intakt. Aber auch den Pragmatismus der Macht in der SPÖ gilt es nicht zu unterschätzen.
Das führt uns zu der letzten Frage nach dem strategisch günstigsten Zeitpunkt. Wann? Drei Monate braucht es zwischen Platzen einer Koalition und dem Neuverteilen der politischen Karten am Wahltag. Den Kandidaten in Salzburg am 23. April will wohl niemand reinpfuschen. Über ihren Vorsitz entscheidet die SPÖ erst am 6. Juni. Anschließend folgt voraussichtlich der Prozess gegen die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin. Und je höher die Temperaturen, desto mehr freuen sich alle auf die Sommerferien und eine politikfreie Zeit. Es wird also jedenfalls der Herbst ins Land ziehen. Warum dann nicht gleich bis 2024 warten?
Statt über das Innenverhältnis dieser Regierung zu spekulieren, wäre es vernünftiger, sie an ihren Auftrag zu mahnen. „Aus Verantwortung für Österreich“ lautet der Titel der Regierungserklärung. Aber vielleicht war das auch nur ein Kalenderspruch von PR-Spezialisten, wie Werner Kogler plötzlich das Motto „Das Beste aus beiden Welten“ bezeichnet.
„Und je höher die Temperaturen, desto mehr freuen sich alle auf die Sommerferien und eine politikfreie Zeit.“
Kathrin Stainer-Hämmerle
kathrin.stainer-haemmerle@vn.at
FH-Prof. Kathrin Stainer-Hämmerle, eine gebürtige Lustenauerin, lehrt Politikwissenschaften an der FH Kärnten.
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