Unglaubwürdig und Irrelevant
In den letzten Wochen hat sich viel getan beim Klima. Es ist geradezu herausfordernd, den Überblick zu wahren.
Kanzler Nehammer hat eine Rede gehalten, in der er klargemacht hat, dass er gegen das Verbot der Verbrenner-Autos ab 2035 ist. Die deutsche Regierung hat das Klimaschutzgesetz aufgeweicht. eFuels und „grüne Verbrenner“ zur Umschiffung des Verbrenner-Aus sind in aller Munde. Und Holz gilt laut einer EU Entscheidung als klimaneutrale Biomasse. Und dies alles, obwohl wir zu viel CO2 bei Verbrennungsprozessen ausstoßen.
Im scharfen Kontrast zu diesen Ereignissen steht die Veröffentlichung des 6. Synthese Berichts des Weltklimarates. Das Climate Change Centre Austria (CCCA) schreibt dazu: „Der Bericht lässt keine Zweifel offen, dass der Klimawandel in vollem Gang ist, bereits heute massive negative Auswirkungen hat und dass diese mit jedem weiteren Zehntel Grad Erwärmung weiter zunehmen werden. Bisherige Bemühungen, den Klimawandel zu mindern, verfehlen eine Stabilisierung des Klimas bei +1,5°C und +2°C deutlich. Der fortschreitende Klimawandel ist eine Gefahr für das Wohlergehen der Menschheit und ihrer Umwelt, und das Fenster zur Sicherung einer erträglichen und nachhaltigen Zukunft für alle schließt sich sehr schnell. Unmittelbare und weitreichende Transformationen in allen Sektoren und Gesellschaftssystemen sind notwendig, um die Emissionen von Treibhausgasen zu drosseln.“
Bei der Coronakrise haben wir gesehen, wie schnell und tiefgreifend Politik zum Schutz aller eingreifen kann, wenn Gefahr für unsere Gesundheit und Gesellschaft besteht. Bei der Klimakrise passiert gerade dieses Eingreifen bei Weitem nicht im nötigen Ausmaß und Tempo. Trotz unmissverständlicher Aussagen und klarer Warnungen.
Welches Signal wird damit ausgesendet? Bedeutet das etwa, wenn es bei der Klimakrise wirklich nötig und dringend wäre, dann würde die Regierung eh schnell und tiefgreifend reagieren? Wird durch das weitgehende Ignorieren der Dringlichkeit der Klimakrise durch unsere Regierungen die Klimawissenschaft für manche unglaubwürdig? Ja, die Klimakrise selbst geradezu irrelevant, je mehr Zeit ohne wirkliche, zur äußerst kritischen Lage passende Reaktion vergeht?
Oder trifft dies vielmehr die Regierenden selbst? Werden nicht gerade sie selbst unglaubwürdig? Und irgendwann sogar irrelevant? Und zwar dann, wenn die Szenarien eintreffen, dass es immer häufiger Extremwetter – wie Hochwasser, Hitze, Dürre, niedrigen Grundwasserstand und ausgetrocknete Seen – gibt und die Klimakrise unser aller Leben in Gefahr bringt.
„Bei der Klimakrise passiert gerade dieses Eingreifen bei Weitem nicht im nötigen Ausmaß und Tempo.“
Simon Tschannett
simon.tschannett@vn.at
Der Vorarlberger Simon Tschannett ist Meteorologe und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Stadtklimatologie.
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