Von Inseraten und der „perfekten“ Zeitung

Vorarlberg / 05.04.2023 • 22:08 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Schmids Aussagen führten zur Hausdurchsuchung bei 
Schmids Aussagen führten zur Hausdurchsuchung bei “Heute”.Reuters

Ab 2017 stiegen die Inserate im Boulevard markant an. Die WKStA ermittelt nun. Vor allem „Heute“ und „Krone“ stehen im Fokus.

Wien Ein neuer Skandal erschüttert Österreichs Medien- und Politiklandschaften. Die Inseratenschaltungen des Finanzministeriums unter dem damaligen Generalsekretär Thomas Schmid sind dabei ein zentraler Bestandteil der Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Schmid, ein ehemals enger Vertrauter des früheren Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP), habe ausgesagt, dass in Vereinbarung mit Zeitungen Regierungsinserate geschaltet worden seien, um wohlwollende Berichterstattung für Kurz zu sichern. Er belastet unter anderem das Verlegerpaar Christoph und Eva Dichand. Sowohl Kurz als auch die Dichands dementieren die Vorwürfe.

 

Welche Daten liegen den Vorwürfen zugrunde? 2015 gab das Finanzministerium laut Medientransparenzdaten lediglich rund 135.000 Euro für Werbung in Medien aus. 2016 stieg der Betrag markant auf ca. 1,8 Mill. Euro an. 2017 wurde Kurz ÖVP-Parteichef. Ab diesem Jahr stiegen die Werbeausgaben des Finanzministeriums weiter stark.

 

Wer profitierte am meisten? Etwa die Hälfte der Werbeausgaben floss an den Boulevard. 2018 betrug die Ausgabensumme bereits 7,2 Mill. Euro. 2019 waren es rund 7,4 Mill. Euro. 2020 wurde mit rund 8,9 Mill. Euro der Höhepunkt erreicht. Seitdem sanken die Ausgaben wieder. 2021 waren es ca. 6,9 Mill. Euro, 2022 ca. 2,3 Mill. Euro.

 

Welche Medien profitierten besonders? Ein großer Brocken der Ausgaben ging in all den Jahren an den Boulevardsektor, speziell „Österreich“, „Heute“ und „Kronen Zeitung“. Die Zeitung „Österreich“ erhielt 2016 mit rund 411.000 Euro mehr als die weit reichweitenstärkere „Kronen Zeitung“ mit rund 323.000 Euro. Auch „Heute“ stieg mit ca. 161.000 Euro mit weniger Inseratengeldern aus dem Finanzministerium aus.

Wieso steht Heute-Herausgeberin Eva Dichand besonders im Fokus? Auch in diesem Fall sind Chatnachrichten aufgetaucht. „Heute“-Verlegerin Eva Dichand soll ab 2017 gegenüber Schmid beklagt haben, dass „Österreich“ bei Inseraten des Finanzministeriums gegenüber „Heute“ und der „Kronen Zeitung“, die ihr Mann Christoph Dichand herausgibt, bevorzugt werde. 2017 sah das Ranking dann anders aus: Die „Kronen Zeitung“ bekam mit rund 810.000 Euro am meisten von den Inseratenschaltungen des Finanzministeriums. Auch „Heute“ zog mit rund 730.000 Euro an „Österreich“ vorbei, wo die Einschaltungen aber ebenfalls markant auf ca. 671.000 Euro anwuchsen. Damit gingen in diesem Jahr fast zwei Drittel der Inseratenschaltungen des Finanzministeriums an Boulevardmedien.

 

Wie ging diese Entwicklung weiter? Der Höhepunkt war 2020 erreicht, als die „Krone“ ca. 1,6 Mill. Euro, „Heute“ rund 1,2 Mill. Euro und „Österreich“ etwa 1,1 Mill. Euro erhielten. 2022 gab es nur noch ca. 211.000 Euro für die „Krone“, 120.000 Euro für „Österreich“ und 93.000 Euro für „Heute“. Die Inseraten-Causa und Chats dazu waren da bereits öffentliches Thema.

 

Gibt es konkrete Beispiele? Als das von der damaligen ÖVP-FPÖ-Regierung geplante „Ausländersparpaket“ Aufmacher der „Kronen Zeitung“ wurde, kamen vonseiten der ÖVP besonders positive Reaktionen. „Weniger Geld für Ausländer“ titelte das Blatt in seiner Ausgabe am 16. März 2018. „(…) so perfekt kann eine Zeitung doch nicht sein“, hieß es daraufhin in einer Nachricht von ÖVP-Kommunikationschef Gerald Fleischmann, von der Schmid laut ZiB2 einen Screenshot anfertigte.

 

Was hat es mit Vorwürfen rund um das Stiftungsrecht auf sich? Aus einem WKStA-Bericht geht auch hervor, dass Dichand positive Berichterstattung für eine Mitsprache bei der Reform des Privatstiftungsgesetzes in Aussicht gestellt haben soll. 2017 kam es demnach im Finanzministerium zu einem Treffen in der Sache. Dichand dürfte über einen Entwurf für eine Novelle unglücklich gewesen sein. Sie mache „Terror“, hielt Schmid dazu gegenüber dem damaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) fest. Das Finanzministerium lehnte den Entwurf in der Folge ab. Dichand dementierte zuletzt nach Hausdurchsuchungen beim „Heute“-Verlag alle Vorwürfe.

 

Was sagt Sebastian Kurz? Kurz war 2021 als Kanzler und Chef der konservativen ÖVP zurückgetreten, nachdem die Korruptions-Staatsanwaltschaft gegen ihn und sein Umfeld Untersuchungen zur angeblichen Verwendung von Steuergeld für die Platzierung von Inseraten und geschönten Umfragen in der Zeitung „Österreich“ eingeleitet hatte. Auch dieses Medium bestreitet die Vorwürfe. „Zur aktuellen Berichterstattung möchte ich zunächst festhalten, dass die mich belastenden Aussagen von Thomas Schmid frei erfunden sind“, schrieb Kurz auf Facebook. VN-JUS

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