Heroinprozess gegen Generaldirektor

Vorarlberg / 07.04.2023 • 21:53 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Der Angeklagte zeigte sich beim Prozess geständig. Dass er auf der Flucht war, hatte er offenbar mit der Zeit „vergessen“. vn/gs
Der Angeklagte zeigte sich beim Prozess geständig. Dass er auf der Flucht war, hatte er offenbar mit der Zeit „vergessen“. vn/gs

Türkischer Manager (47) wusste nicht, dass in Österreich seit fast 30 Jahren ein Haftbefehl gegen ihn vorliegt.

Feldkirch Der türkische Staatsbürger ist zwar in Bregenz geboren, machte dann aber in seiner Heimat eine Bilderbuchkarriere. Er schaffte es dort quasi vom Kofferträger bis zum Hotelgeneraldirektor, ist also dick im Geschäft.

Weniger dick in einem anderen Geschäft war er allerdings im Jahr 1995 in Vorarlberg. Damals ließ er sich auf einen Heroindeal ein, bei dem zwei seiner Landsmänner die Fäden zogen. Als Bewohner einer Wohngemeinschaft stellte er sein Zimmer zur Verfügung. Dort wurden die Geschäfte mit der gefährlichsten aller Drogen abgewickelt, insgesamt 435 Gramm Heroin wechselten innerhalb der vier Wände die Besitzer. Der „Gastgeber“ selbst allerdings ließ die Finger von der Dealerei. Er stand dabei nur Schmiere.

Maulwurf „Joe“

Die Sache flog auf. Dank eines verdeckten Ermittlers namens „Joe“. Die drei Tatverdächtigen wurden in U-Haft genommen, so auch der damals 19-jährige Gastgeber als Beitragstäter. Dieser wurde nach wenigen Tagen vorläufig entlassen, allerdings unter dem Zwang der Einhaltung gewisser Auflagen. Unter anderen jener, das Land bis zum Prozess keinesfalls zu verlassen.

Da rief ihn sein Vater an, bei der Textilfabrik der Familie in der Türkei auszuhelfen. Der junge Mann reiste daraufhin an den Bosporus. Doch ein Erdbeben zerstörte die Fabrik. Der anschließende Weg des Türken endete nach 16 Jahren mit dem Posten eines Hotelgeneraldirektors.

Als solcher reiste er unzählige Male dienstlich nach Europa. Bis er den Fehler beging, nach 28 Jahren auch Österreich anzufliegen. Am Flughafen klickten die Handschellen. Schließlich galt er als Flüchtiger.

Umfangreiches Geständnis

Wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels angeklagt, zeigt er sich am Landesgericht Feldkirch umfänglich geständig. Beinahe wäre es nicht zum Prozess gekommen, weil ein Schöffe (Laienrichter) fehlte. Nach einer Stunde konnte schließlich ein Ersatzschöffe aufgetrieben werden. „Immerhin haben wir fast dreißig Jahre auf Sie gewartet, da tut diese kleine Verzögerung auch nichts zur Sache“, begründet Richter Richard Gschwenter gegenüber dem nunmehr 47-jährigen Angeklagten die Verspätung. Bei der Einvernahme des Beschuldigten zeigt sich, dass er sich gar nicht so recht bewusst war, dass er während seines Aufenthaltes in der Türkei als Flüchtiger galt. „Ich war damals erst 19 Jahre alt. Und mein Vater hat mir gesagt, dass er mir mitteilen würde, wenn ich mich in Vorarlberg melden müsste. Doch er ließ mich im Dunkeln“, begründet der 47-Jährige.

Zahlreiche Milderungsgründe

Verteidiger Rechtsanwalt Nikolas Stieger bringt mannigfaltige Milderungsgründe für seinen Mandanten vor: „Der Angeklagte spielte damals eine nur untergeordnete Rolle. Er ist in der Türkei unbescholten, hat eine große Karriere gemacht und steht kurz vor der Hochzeit mit einer Frau, die in der Türkei Therapeutin für behinderte Kinder ist.“

Der Schöffensenat folgt der Argumentation des Verteidigers und urteilt in diesem außergewöhnlichen Prozess zwar im Sinne der Anklage, doch milde.

Der Beschuldigte wird zu zwei Jahren Haftstrafe verurteilt, 22 Monate davon jedoch auf Bewährung. Der Richter verhandelt hinter verschlossenen Türen noch einmal und spricht die bedingte Entlassung aus. Der Verurteilte kann also nach Hause gehen. VN-GS

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