Markanter Einbruch am Wohnungsmarkt

VN-Recherchen im Grundbuch dokumentieren einen 25-Prozent-Rückgang alleine im ersten Quartal 2023.
Schwarzach Eine Branche in Schockstarre: Vorarlbergs Wohnungsmarkt spielt seit Monaten verrückt. Nach Boom-Jahren brechen die Verkäufe ein. Kostenexplosion, immer weiter steigende Zinsen und hohe Finanzierungshürden lassen Wohnträume der Reihe nach platzen. Es sei ein geradezu toxischer Cocktail an Entwicklungen, der dem Immobilienmarkt im Land zusetzt, sagt Reinhard Götze, Geschäftsführer von Re/max Immowest in Lauterach.
„Ins Abseits gestellt“
Der Traum von den eigenen vier Wänden – er rückt für immer mehr Menschen in weite Ferne. „Leute, die einen Wohnungsbedarf hätten, wurden ins Abseits gestellt“, stellt Götze fest. Finanzierungen ließen sich nicht mehr stemmen. Junge Familien aus der Mittelschicht – die VN haben zuletzt mit vielen von ihnen gesprochen – können sich Wohneigentum nicht mehr leisten. Auch Makler und Wohnbauträger schilderten, wie Verkaufsgespräche immer öfter auf der Zielgeraden scheitern.
Auswirkung mit Verzögerung
Dabei war Anfang des Vorjahres die Welt noch einigermaßen in Ordnung. Ukraine-Krieg und die Teuerung hatten den Immobilienmarkt erst mit etwas Verzögerung erwischt. Daten von Re/max zu Verbücherungen im Grundbuch beschreiben schließlich für 2022 einen Rückgang an Wohnungsverkäufen in Vorarlberg von 17,7 Prozent. Erst der Anfang, wie aktuelle Daten zeigen. Im ersten Quartal 2023 sind die Verkäufe noch einmal regelrecht eingebrochen.
Im aktuellen Jahr haben bisher laut Grundbuch lediglich 531 Wohnungen den Besitzer gewechselt – so wenige wie im letzten Jahrzehnt nicht mehr. Beim Verkaufsvolumen, so VN-Recherchen im Grundbuch, ist der Rückgang von 276 Millionen Euro im ersten Quartal 2022 auf 192 Millionen in 2023 mit 30 Prozent noch höher ausgefallen. „Was wir befürchtet haben, ist leider eingetreten“, so Götze. Die Verbücherungen würden jetzt das wahre Ausmaß des Einbruchs bestätigen.
Kaufinteresse ungebrochen
Egal ob Maklergeschäft oder Bauträger: „Die Leute wollen zwar kaufen, können aber nicht“, so Reinhard Götze. Ähnliche Beobachtungen hatte Karlheinz Bayer, Geschäftsführer der i+R Wohnbau GmbH, bereits vor einigen Wochen gemacht. Klickraten auf der Homepage würden großes Interesse dokumentieren, tatsächliche Verkaufsgespräche seien aber stark zurückgegangen. „Die Finanzierungsthemen sind spürbar und schlagen voll durch“, so Bayer damals.
Viele negative Einflüsse
9/11-Terroranschläge 2001, Finanzkrise 2008: Ereignisse wie diese hatten in den letzten 20 Jahren den Immobilienmarkt in Turbulenzen gebracht. „Eine Situation wie heute mit so vielen verschiedenen negativen Einflüssen gab es bisher allerdings nicht“, beschreibt Reinhard Götze. Es sei schwer abschätzbar, wie ein Weg aus dem Tal ausschauen könnte. Allerdings gäbe es noch immer Menschen im Land, die Geld hätten. So seien auch hochpreisige Immobilien weiter gut nachgefragt.
Für die Masse wird es schwerer. Vorarlberg wird vom Land der Eigentümer zu einem Land von Mietern. Häusle bauen oder Haus kaufen scheint ohnedies kaum mehr möglich zu sein, wie vertiefende VN-Recherchen zeigen. So wurden heuer bisher nur 63 Einfamilienhäuser verkauft. 2019 waren es im ersten Quartal noch 107 Häuser. Das Minus von 41 Prozent verdeutlicht, dass Finanzierungen in praktisch allen Immobilienkategorien zur kaum überwindbaren Hürde wurden.

Wohnungsverkäufe
Zahlen zu Transaktionen in den Monaten Jänner, Februar, März 2023
Wohnungen 2023, erstes Quartal
– 531 Stück
– 192 Millionen Euro Volumen
Wohnungen 2022, erstes Quartal
– 717 Stück
– 276 Millionen Euro Volumen
Wohnungen 2021, erstes Quartal
– 762 Stück
– 279 Millionen Euro Volumen
Wohnungen 2020, erstes Quartal
– 746 Stück
– 250 Millionen Euro Volumen
Wohnungen 2019, erstes Quartal
– 817 Stück
– 255 Millionen Euro Volumen
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