Julia Ortner

Kommentar

Julia Ortner

Traum und Albtraum

Vorarlberg / 10.04.2023 • 18:08 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Bürgermeister verklagt Künstliche Intelligenz wegen Verleumdung: Künstliche Intelligenz (KI) ist jetzt also endgültig in unserer Welt angekommen. Vergangene Woche wurde bekannt, dass der Ortschef von Hepburn Shire, einer Gemeinde im australischen Bundesstaat Victoria, die auf KI beruhende Software Chat GPT und deren US-Firma Open AI verklagen will. Brian Hood war in Texten, die das Programm verfasst hatte, irrtümlich als Beteiligter in einem Korruptionsskandal genannt worden. Hoods Klage wäre die erste ihrer Art gegen eine KI und wird ein mühsames Unterfangen: Es geht um Zuständigkeits- und Haftungsfragen – bisher rechtlich unreguliertes Terrain.

Wenn wir von KI sprechen, sind Programme gemeint, die lernen, bestimmte Muster in großen Datenmengen wiederzuerkennen. Chat GPT verfasst schon jetzt durch Eingabe von Stichwörtern oder Fragen ganze Texte, die von menschlicher Machart oft kaum unterscheidbar sind – KI kann also Traum oder Albtraum sein. Algorithmen analysieren längst unsere Internetnutzung, entwerfen Kunstwerke, können in der Radiologie eingesetzt werden, in der Industrie oder in der Landwirtschaft.

Vorgaben und Gesetze

Die Technologie hat enormes Potenzial für die Verbesserung unseres Lebens, kann aber auch gewohnte Muster und Vorurteile festschreiben. Gegen diesen „Bias“ muss man in der Entwicklung der Algorithmen ankämpfen, mit ethischen Vorgaben für jene, die KI entwickeln. Aber auch mit gesetzlichen Regeln für KI, die Menschen etwa in Bewerbungsverfahren aussortieren kann; oder die eben viele Fragen rund um Datenschutz, Fake News und missbräuchliche Verwendung der Technologie aufwirft.

Europas Politik ist sich dieser Problematik bewusst und arbeitet an Regulatorien für KI. Herzstück der Gesetze ist der AI Act, eine EU-Verordnung, die frühestens 2024 beschlossen wird: Sie will etwa KI-Risikogruppen festlegen und klären, was erlaubt und was verboten ist. Wobei die Gesetzgebung mit dem immer höheren Tempo der Technologie-Entwicklung gar nicht mehr Schritt halten, sondern nur versuchen kann, einen gewissen Rahmen zu schaffen.

Für uns Menschen, die in einer Welt leben, die immer mehr von KI geprägt sein wird, gilt: Wir dürfen nicht in Angst vor jenem Fortschritt erstarren, der ohnehin längst Realität ist, sondern sollten uns für die Technologie dahinter interessieren. Und wir sollten uns nicht auf dieses derzeit beliebte Gesellschaftsspiel zurückziehen: Hast Du gesehen, welchen Schwachsinn Chat GPT wieder geschrieben hat, KI ist ja gar nicht so schlau! Sich über die Schwächen einer Technologie zu amüsieren, die jeden Tag, jede Woche, jeden Monat besser wird – das wird die Transformation unserer Welt nicht aufhalten.

„Die Technologie hat enormes Potenzial für die Verbesserung unseres Lebens, kann aber auch Vorurteile festschreiben.“

Julia Ortner

julia.ortner@vn.at

Julia Ortner ist Journalistin mit Vorarlberger Wurzeln, lebt in Wien und arbeitet für den ORF-Report.

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