Religionen im Dialog: Katholische Lehrerin und muslimischer Kollege unterrichten Seite an Seite

Beim Modellversuch des kooperativen Religionsunterrichts an der Landesberufsschule Bregenz 1 unterrichten die katholische
Pädagogin Christine Fischer-Kaizler und der islamische Lehrer Selim Kavas zusammen.
Bregenz Was haben Boxlegende Muhammad Ali und der seliggesprochene aus Göfis stammende Carl Lampert gemeinsam? Auf den ersten Blick vielleicht nicht viel. Und doch sind die beiden Persönlichkeiten Thema im Unterricht an der Landesberufsschule Bregenz 1 (LBS). An diesem Vormittag steht nämlich das Thema “Vorbilder” auf dem Stundenplan. Die Schülerinnen und Schüler sollen herausarbeiten, was die beiden Persönlichkeiten als Vorbilder auszeichnet.

Das Besondere an dieser Religionsstunde: Es unterrichtet die römisch-katholische Lehrerin Christine Fischer-Kaizler Seite an Seite mit ihrem muslimischen Kollegen Selim Kavas. Der sogenannte kooperative Religionsunterricht ist ein Modellversuch, der im Herbst 2021 an der LBS 1 in Bregenz gestartet wurde und in dieser Form einzigartig in Vorarlberg ist. “Die Idee dahinter ist, der Pluralität an Kulturen und Religionen im Klassenzimmer, aber auch in der Freizeit oder am Arbeitsplatz auch im Unterricht gerecht zu werden”, erklärt Christine Fischer-Kaizler.


Ziel sei ein gelingendes Miteinander sowie Begegnungsräume zwischen Christen und Muslimen, aber auch mit anderen Konfessionen, wie orthodoxen, alevitischen oder evangelischen Angehörigen zu ermöglichen. Diese Vielfalt an Glaubensrichtungen ist der Hauptgrund für die Einführung des kooperativen Religionsunterrichts, wie Lehrerin Christine Fischer-Kaizler betont. “Es geht darum, dass Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen zusammenkommen und lernen, friedlich miteinander zu leben und dem Fremden begegnen zu können”, sagt Selim Kavas. Zu dem Unterricht – bei dem die Abmeldungsquote übrigens sehr gering ist – werden vier Mal im Jahr auch Lehrende aus anderen Konfessionen eingeladen. Der Unterricht kommt nicht nur bei den Schülerinnen und Schülern gut an, auch andere Berufsschulen im Land haben schon Interesse bei den beiden engagierten Lehrpersonen bekundet.


Inhaltlich thematisieren die beiden Pädagogen in dem Unterricht die unterschiedlichen konfessionellen Perspektiven der beteiligten Religionsgemeinschaften. “Zum Beispiel wird derzeit das Thema Ramadan bzw. Fasten behandelt. Oft wird dann klar, dass die Themen in den Weltreligionen ähnliche sind”, erklären Fischer-Kaizler und Kavas. Auch Aspekte der Persönlichkeits- und Identitätsbildung sind Teil des Unterrichts.

In dieser Unterrichtsstunde arbeiten die 15 Lehrlinge der ersten Klasse in Gruppen heraus, was die beiden eingangs erwähnten Persönlichkeiten mit unterschiedlicher Religionszugehörigkeit zu Vorbildern macht: “Carl Lampert setzte sich als Priester gegen das NS-Regime ein und wird als Vorbild für seinen Einsatz für Gerechtigkeit unter schwierigsten Umständen angesehen”, trägt Schüler Pascal Fink vor. Auf den anderen Plakaten beschreiben die Lehrlinge Muhammad Ali als Vorbild für seinen Kampfgeist und seinen Einsatz für Gerechtigkeit und soziale Veränderungen. Vorbilder für Toleranz, Respekt und Akzeptanz sind auch Christine Fischer-Kaizler und Selim Kavas: Durch ihre Arbeit tragen sie dazu bei, dass die Schülerinnen und Schüler lernen, wie ein harmonisches Zusammenleben in einer pluralistischen Gesellschaft funktionieren kann.
Wie gefällt dir der kooperative Religionsunterricht?

“Ich bin begeistert von der Möglichkeit, gemeinsam mit Schülern unterschiedlicher religiöser Hintergründe zu lernen. Der Unterricht bietet uns die Gelegenheit, unsere Kenntnisse über verschiedene Religionen zu vertiefen, aber auch Vorurteile abzubauen und ein besseres Verständnis füreinander zu entwickeln. Die Zusammenarbeit zwischen der katholischen und der islamischen Lehrkraft zeigt uns, wie ein respektvolles Miteinander aussehen kann. Früher hatte ich nur islamischen Unterricht, für meine beiden Kinder würde ich mir aber auch diese Art von Unterricht wünschen.”
Nuray Bolat, 30, Lauterach, Lehrling Zerspanungstechnik

“Der kooperative Religionsunterricht an unserer Schule ist erfrischend anders. Frau Fischer-Kaizler und Herr Kavas sind ein tolles Team und haben es geschafft, uns einen spannenden Unterricht zu bieten. Sie vermitteln uns nicht nur fachliches Wissen, sondern auch zwischenmenschliche Kompetenzen, die in unserer heutigen Gesellschaft so wichtig sind. Ich finde es super, dass sie uns die Möglichkeit geben, auch mal über den eigenen Tellerrand zu schauen und andere Perspektiven kennenzulernen.”
Pascal Fink, 30, Dornbirn, Lehrling Zerspanungstechnik
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