Wie eine Fahrt auf der Achterbahn

Ex-Gendarm und Ex-Detektiv Karl-Heinz Lenk hat den Tod seiner Frau noch nicht verkraftet.
HARD Sein Gang ist unsicher. Aber die Milch gießt Karl-Heinz Lenk in die Kaffeetasse, ohne auch nur einen Tropfen zu verschütten. Seit dem Tod seiner Frau Christa vor knapp drei Jahren bewohnt der 80-jährige ehemalige Gendarm und Privatdetektiv seine behagliche Wohnung an der Harder Landstraße allein. Er stellt die Kaffeetasse auf den Tisch, setzt sich und fängt an aus seinem Leben zu erzählen, das sich für ihn wie eine Fahrt auf der Achterbahn anfühlt.
Schwierige Kindheit
Karl-Heinz Lenk macht sich am 1. März 1943 auf den Weg in eine Welt, die sich mitten im Krieg befindet. Er wächst mit seinen Eltern und seiner jüngeren Schwester zuerst in Dornbirn auf, ab 1952 in Doren, nachdem dort sein Vater, ein Gendarm, Postenkommandant geworden ist. „Wir wohnten in einem sehr alten Haus ohne fließendem Wasser“, erinnert sich Lenk. Im Parterre ist die Dienststelle des Vaters, die Dienstwohnung liegt darüber.

Seine Kindheit bezeichnet Lenk als „schwierig“. Die streng autoritäre Erziehung ist für den sensiblen Jungen traumatisch. „Zudem wurde ich als Stadtkind von Dorfkindern angefeindet.“

Nach acht Volksschuljahren will die Mutter, dass der Sohn Ingenieur wird. „Das ging nicht, denn ich war in Deutsch katastrophal“, erklärt Lenk, „hingegen war ich sehr gut in Rechnen und Zeichnen“. Er entscheidet sich für die Gewerbeschule in Bregenz, fühlt sich dort aber miserabel. Er zieht Angeln dem Lernen vor. Folglich wird er noch in der ersten Klasse von der Schule verwiesen.
Christa und ich haben fast alles gemeinsam unternommen. Sie fehlt mir so sehr.
1958, er ist 15, beginnt Lenk eine Schlosserlehre in Bludenz und schließt sie 1961 mit der Gesellenprüfung ab. Im Herbst desselben Jahres flattert der Einberufungsbefehl zum Bundesheer ins Haus. Er rückt in die Fliegerstaffel in Hörsching (Oberösterreich) ein und nach dem Grundwehrdienst ab. „Dann ging ich zur Gendarmerie.“ Die Gendarmerieschule dauert ein Jahr. Danach tritt er seine erste Stelle im Posten Bregenz-Vorkloster an. Später wird er nach Lauterach abkommandiert. In dieser Zeit drückt er abends die Schulbank, er holt die Matura nach.

Durch seine unkonventionelle Art, den Dienst als Gesetzeshüter zu versehen, handelt sich Lenk Probleme mit seinen Vorgesetzten ein. Etwa, wenn er im Alleingang Verbrecher jagt oder nicht regelkonforme Entscheidungen trifft. „Ich bin mit den hierarchischen Strukturen nicht zurechtgekommen“, bekennt Lenk. Irgendwann geht es nicht mehr. Er verlässt die Gendarmerie, legt die Konzessionsprüfung für Berufsdetektive ab und eröffnet im August 1982 in Hard eine Detektei: „Am Anfang war ich allein. Aufgrund der steigenden Anzahl von Aufträgen stellte ich dann eine Sekretärin ein, und Aushilfskräfte unterstützten mich.“ Privatdetektiv bleibt Lenk bis zur Pensionierung im Alter von 68 Jahren. Dann beginnen die gesundheitlichen Probleme: Er braucht eine Knie-Prothese, überlebt knapp zwei schwere Lungenentzündungen. Es folgen andere Erkrankungen und Verletzungen durch Stürze.
Am 24. Juli 2020 erlebt Karl-Heinz Lenk den schlimmsten Tag seines Lebens. Am Tag davor fährt seine Frau mit dem Fahrrad auf der Landstraße in Hard. Als sie links in die Zufahrt des Hauses abbiegt, in dem die Lenks wohnen, überholt sie ein Mopedfahrer. Es kommt zur Kollision, Christa stürzt und wird so schwer verletzt, dass sie am Morgen danach stirbt.

„Ich habe Christa 1970 geheiratet. Das war der schönste Tag meines Lebens“, sagt Lenk sichtlich bewegt. Mit Christa hat er 50 Jahre zusammengelebt. Sie hat ihn zum Vater eines Sohnes und einer Tochter – Andreas (51) und Dagmar (49) – gemacht. „Christa und ich haben fast alles gemeinsam unternommen. Sie fehlt mir so sehr.“ Ihren Tod verkraftet Lenk bis heute nicht.
Wohltuende Unterbrechung
„Vorher hatte ich Lebensfreude. Ich spielte Gitarre und sang. Jetzt habe ich zu nichts mehr Lust. Ich bin müde“, sagt er mit zitternder Stimme. Auch wenn der Pensionist viel liest und Musik hört, sei sein Alltag eintönig geworden. Für wohltuende Unterbrechung sorgen die „Super-Mohi Rosmarie, der Zivildiener vom Rollenden Essenstisch und natürlich meine Kinder, zu denen ich guten Kontakt habe“.

Wenn Sie sich etwas wünschen könnten, was wäre das, Herr Lenk? Er räuspert sich, antwortet: „Was wohl? Dass Christa wieder zurückkommt.“ Überwältigt vom Verlustschmerz steht er auf, geht auf den Balkon, gleitet in einen Gartenstuhl und zündet eine Zigarillo an. „Ich muss mich beruhigen“, erklärt er, „jetzt brauche ich ein Glas Rotwein“.
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