Jürgen Weiss

Kommentar

Jürgen Weiss

„Bessere“ Sozialdemokraten

Vorarlberg / 24.04.2023 • 20:11 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Nach grauer Theorie führt Unzufriedenheit mit den politischen Zuständen zu einer sinkenden Wahlbeteiligung und/oder zu einer Stärkung der an den Rändern des politischen Spektrums angesiedelten Parteien. Am Sonntag ist bei der Salzburger Landtagswahl interessanterweise die Wahlbeteiligung um über 5 Prozent deutlich gestiegen, auf immerhin 71 Prozent. Ein ähnlicher Effekt war bei den letzten Landtagswahlen in Tirol, Niederösterreich und Kärnten feststellbar. Viele Wählerinnen und Wähler konnten offenkundig aus der resignativen Passivität, zu Hause zu bleiben, herausgeholt und motiviert werden, ihren Protest mit dem Stimmzettel auszudrücken.

Dass die FPÖ auch in Salzburg kräftig zulegen wird, war zu erwarten. Überraschend fiel der Wahlerfolg der KPÖ aus, die sozusagen aus dem Stand heraus nicht nur in den Landtag einzog, sondern sogar in der Stadt Salzburg mit 22 Prozent zweitstärkste Kraft wurde und dort nur mehr knapp hinter der ÖVP liegt. Graz mit der KPÖ als stärkster Partei lässt grüßen. Dafür ist nicht nur eine Fokussierung auf die drängendsten Probleme der Menschen (Teuerung und Wohnen) maßgeblich, sondern auch ein attraktives personelles Angebot. Es hat mit dem früheren Image verbissener und griesgrämiger Kommunisten nichts mehr gemein. Die KPÖ erweckt den Eindruck, die „besseren“ Sozialdemokraten zu sein. Das wird an der Urabstimmung der SPÖ-Mitglieder nicht spurlos vorübergehen und Wasser auf die Mühlen des Linkesten der zur Auswahl stehenden Personen, des Traiskirchner Bürgermeisters Andreas Babler, sein.

Bemerkenswert war, wie kultiviert und sachlich nicht nur die Wahlwerbung, sondern auch die Nachwahldiskussionen abliefen. Sogar bei der Spitzenkandidatin der FPÖ schien Kreide zur Lieblingsspeise geworden zu sein. Das viel beschworene Salzburger Klima gibt es offenbar noch, auch in Kärnten ging die Regierungsbildung störungsfrei und ohne viel Getöse über die Bühne. Solang sich keine bundespolitischen Überlegungen einmischen, kommen die Parteien in den Ländern miteinander ganz gut zurecht.

Ein gutes Zeichen politischer Kultur war übrigens letzte Woche auch in Vorarlberg zu beobachten. Ich habe die nach dem Rücktritt der Bludenzer SPÖ-Vizebürgermeisterin notwendig gewordene Nachwahl im Internet verfolgt. Wer sich bei ähnlichen Verhältnissen wie in Dornbirn ein politisches Spektakel erwartet hatte, weil die ÖVP auch hier von Abweichlern bei anderen Parteien profitierte und künftig auch die Vizebürgermeisterin stellt, wurde arg enttäuscht. Die Debatte war kurz und sachlich und die SPÖ trug den Verlust ohne langes Hickhack mit Fassung und Würde. Das war beeindruckend.

„Graz mit der KPÖ als stärkster Partei lässt grüßen.“

Jürgen Weiss

juergen.weiss@vn.at

Jürgen Weiss vertrat das Land als Mitglied des Bundesrates zwanzig Jahre lang in Wien und gehörte von 1991 bis 1994 der Bundesregierung an.

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