“Wahlkampf unter der Gürtellinie”: Auslandstürken können ab Donnerstag wählen

Präsident Recep Tayyip Erdogan (l.) tritt gegen Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu an.
Wolfurt, Ankara Schockmoment um Recep Tayyip Erdogan (69): Gut zwei Wochen vor den Wahlen hat der türkische Präsident am Dienstagabend ein Live-Interview unterbrochen. Er habe einen langen Wahlkampftag gehabt, es gehe ihm gut, hieß es später. In der Türkei gab es dennoch Sorge, bevor am 14. Mai die Präsidentschaftswahl ansteht. Dann wird Erdogan vom Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu (74) herausgefordert. In Vorarlberg beginnt die Wahl zum türkischen Präsidenten schon am Donnerstag.
Denn für die gut drei Millionen Auslandstürken, darunter 100.000 in Österreich, haben die Wahllokale vom 27. April bis zum 9. Mai geöffnet. Zumindest für alle, die sich rechtzeitig registriert haben. In Vorarlberg waren zum Jahresende 2022 laut türkischem Konsulat 12.824 türkische Staatsbürger gemeldet – inklusive der nicht wahlberechtigten Minderjährigen.

Die Wahllokale öffnen um 9 Uhr
Die registrierten Wähler können ihre Stimme im türkischen Generalkonsulat in Wolfurt abgeben. “Für die Wahlen werden wir sowohl unter der Woche mit zwei Wahlurnen als auch am Wochenende mit drei Wahlurnen von 9 bis 21 Uhr geöffnet haben”, teilt das Konsulat mit. Auch für eine mögliche Stichwahl Ende Mai gibt es schon einen Plan.

Ob es soweit kommt, ist die spannende Frage. Den Umfragewerten nach ist Kilicdaroglu ein ernstzunehmender Herausforderer für Erdogan. “Es wird eine knappe Kiste, deswegen haben die Stimmen der Auslandstürken an Bedeutung gewonnen”, prognostiziert Attila Dincer (52). Der Dornbirner ist Präsident der Türkischen Gemeinschaft und des Businessclubs in Vorarlberg.
Wahlkampf spaltet Gemeinschaft
Deshalb habe es auch eine starke Mobilmachung von beiden Kandidaten gegeben. Von der Opposition vielleicht sogar so viel wie noch nie. Mehrere Abgeordnete wurden nach Vorarlberg entsandt. Die sechs Oppositionsparteien nutzen die massive Wirtschaftskrise in der Türkei, um zu punkten. Das hat Erdogan und seine AK Partei Stimmen gekostet. Doch der Amtsinhaber hält dagegen, verteilt Geschenke an die Auslandstürken.

Das Ergebnis: “Ein Wahlkampf unter der Gürtellinie, der sogar die türkische Gemeinschaft in Vorarlberg gespalten hat wie nie zuvor”, sagt Dincer. Ganze Familien seien nicht mehr einer Meinung. Ein weiterer Nachteil: “Der Kampf um Stimmen reißt die Auslandstürken von Europa weg.” Die Integration macht das natürlich nicht leichter.
2018 überdurchschnittlich viele Stimmen
Bei den vergangenen Wahlen 2018 hatte Erdogan in Österreich übrigens ein überdurchschnittliches Ergebnis erzielt. Insgesamt hatte er 52,6 Prozent der Stimmen bekommen, österreichweit waren es 72,3 Prozent. Im Wolfurter Generalkonsulat waren 14.448 Stimmen abgegeben worden – allerdings nicht nur von Vorarlbergern. Denn aufgrund der wenigen Wahlstandorte kamen auch Türken aus Österreichs anderen Bundesländern, ausDeutschland, der Schweiz und Liechtenstein.
Dincer rechnet damit, dass die Zustimmung für Erdogan auch hierzulande gesunken ist. “Jeder hat Verwandte in der Türkei”, sagt der 52-Jährige. Und die erleben mit der hohen Inflation derzeit eben keine leichte Zeit.
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