Spektakuläre Bergung aus Bodensee geplant

Verein will Schiff „Säntis“ wieder an die Oberfläche bringen.
Romanshorn Es ist eine einzigartige Aktion: Ein Verein möchte ein altes Schiffswrack aus dem Bodensee bergen – aus über 200 Metern Tiefe. Was als Spaß begann, könnte Realität werden. Doch noch fehlt den waghalsigen Enthusiasten das nötige Kleingeld.
Silvan Paganini ist seit über einem Jahr Technischer Betriebsleiter Nautik/Werft bei der Schweizerischen Bodensee-Schifffahrt (SBS). „Hier hieß es immer, es gebe noch zwei Schiffe im blauen Regal“, erzählt er. Denn vor 90 Jahren waren zwei Schiffe von der SBS im Bodensee versenkt worden. Sie zu verschrotten, war damals zu teuer.
Als das Dampfschiff „Säntis“ vergangenes Jahr seinen 130. Geburtstag feierte, gab die SBS eine Pressemitteilung heraus. Die Bergung sei technisch möglich, sagte Paganini in einem Interview. „Ich fand das eigentlich witzig.“ Doch daraus entwickelte sich ein Enthusiasmus, der bis heute ungebrochen ist. Spezialisten schlossen sich zusammen, tüftelten, rechneten und erhoben eine Machbarkeitsstudie.
Vor zehn Jahren wiederentdeckt
Erst 2013 war das Schiffswrack bei Vermessungsarbeiten im See wieder entdeckt worden. Es liegt im Tiefen Schweb etwa fünf Kilometer vor Romanshorn. Mutmaßlich ist die Säntis auch nicht das einzige Wrack am Boden des Bodensees. Schätzungen zufolge dürfte es dort einen Friedhof von zig Schiffen geben – auch am Vorarlberger Ufer.
In stundenlanger Arbeit durchforsteten Paganini und seine Mitstreiter diverse Archive, um alle nötigen Informationen zu sammeln. Eine Schwierigkeit war es, das Gewicht des Schiffs zu berechnen. Dazu kommen Ablagerungen und der enorm große Vakuumeffekt. Bodenproben wurden zu Spezialisten in die Niederlande geschickt. Die Bergungsmission entwickelte sich zum Großprojekt.
Kosten in den Hunderttausenden
Das Schiff allein hat den Berechnungen zufolge ein Gewicht von 124 Tonnen. Um den Unterdruck zu überwinden, müssten etwa 240 Tonnen bewegt werden. Dafür haben die Experten zwei mögliche Wege ermittelt. So oder so müssten Seile unter dem Rumpf durchgezogen werden, für die das Team extra einen Tauchroboter entwickelt hat. Die günstigere, aber auch riskantere Variante wäre, das Wrack mit Hebesäcken zu bergen. Wie Ballons würden die das Schiff an die Oberfläche ziehen. Paganini würde aber bevorzugen, die Säntis mit dem Einsatz der Fähre Euregia und mittels hydraulischem Litzenheber zu bergen.
Das hängt allein vom Geld ab. Denn als Paganini dem Verwaltungsrat der SBS nach sechs Monaten die Ergebnisse der Studie vorlegte, lehnte dieser ab. Zu riskant. Also gründeten die zwölf Spezialisten, die alle Infos gesammelt hatten, kurzerhand den Schiffsbergeverein Romanshorn und erwarben das Schiff vergangenen Freitag für den symbolischen Wert von einem Franken.
Crowdfunding gestartet
Am Montag starteten sie ein Crowdfunding, um ihre Mission doch noch zu verwirklichen. Wenn bis 20. Juli mindestens 200.000 Franken zusammenkommen, werden sie versuchen, die Säntis mit Hebekissen zu bergen. Sollte das Ziel von einer halben Million Franken erreicht werden, wäre die sicherere Variante mit dem Litzenheber möglich. „Alles ist bereit“, sagt Paganini. Jetzt liegt es nicht mehr in seiner Hand.
Dabei ist auch noch nicht garantiert, dass die Bergung überhaupt klappen würde. „Bisher haben wir keine Schäden festgestellt, aber im Kielbereich wissen wir es nicht genau.“ Hinuntertauchen geht schließlich nicht, alle Infos gibt es vom Roboter. Zudem müssen noch ein paar Leinen entfernt werden, die sich wie ein Netz um das Schiff schlingen. Und an der Oberfläche müsste es direkt behandelt werden, um nicht zu verrosten. Denn die Bedingungen sind komplett andere als in der Dunkelheit von 210 Metern Tiefe.
Und was passiert mit der Säntis, wenn sie wirklich wieder an die Oberfläche kommt? Eine Idee war es, sie statt eines Piratenschiffes auf einen neu geplanten Spielplatz neben der Werft zu stellen. Oder sie wird ausgestellt. Als Erinnerung an die frühere Schifffahrt, aber auch an die Enthusiasten, die sie wieder an die Oberfläche brachten. VN-PPL
„Bisher haben wir keine Schäden festgestellt, aber im Kielbereich wissen wir es nicht genau.“



Am Montag startete das Crowdfunding für die Bergung der Säntis. Bis Donnerstagnachmittag waren knapp 29.000 Franken zusammengekommen.
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