Was wir im Stall lernen können

Als Kind und Jugendlicher war ich jeden Tag im Stall. Eine Erinnerung ist mir besonders geblieben: Ein neugeborenes Lamm durfte ich mit der Flasche großziehen. Davon gibt es sogar noch ein Foto. Die Qualität lässt zu wünschen übrig – des Fotos natürlich . . . Aber es bringt trotzdem zum Ausdruck, was ein guter Hirt ist: Die Schafe kennen die Stimme des guten Hirten. Sie brauchen vor ihm keine Angst zu haben. Er will das Beste für sie. Ihm dürfen sie vertrauen. Er geht mit ihnen den Weg. Er tut alles, was er kann, damit ihnen nichts Schlimmes passiert. Sie freuen sich, bei ihm zu sein. Sie sind miteinander auf dem Weg. Das durfte ich im Stall lernen.
Hirten einmal anders
All das will Jesus uns sagen, wenn er sich selbst als guten Hirten beschreibt. Er ist derjenige, der sich um uns kümmert. Ihm dürfen wir vertrauen. Er will, dass wir Freude am Leben entdecken. Er will mit uns sein. Wir brauchen keine Angst zu haben. Wir dürfen uns freuen, bei ihm zu sein. Leider haben viele Menschen die Kirche anders erfahren. Nicht zuletzt darum können sie es nicht mehr hören, wenn in der Kirche von Hirten und Herde gesprochen wird. Sie haben Gott auf ihrer Seite, wenn er durch den Propheten Jeremias den Hirten vorhält: „Ihr habt meine Schafe zerstreut und sie versprengt und habt euch nicht um sie gekümmert.“
Die Kirche tut gut daran, für kirchliche Berufungen zu beten. Dabei geht es nicht nur und nicht zuerst um Frauen und Männer, die Ordensleute werden oder um die Weihen bitten. Was wir oft vergessen: Alle Getauften haben eine kirchliche Berufung. Wir alle haben durch die Taufe Anteil am Hirtenamt. Dort, wo wir sind, dürfen wir durch unser Leben verkünden, dass wir alle beim Namen Gerufene sind, Gottes Geliebte.
Nicht nur Lehrende, sondern auch Lernende
Papst Franziskus nimmt das Bild vom Hirten gerne auf. So soll der Bischof manchmal der Herde vorangehen, manchmal mittendrin sein und manchmal hinter der Herde, „weil die Herde selbst ihren Spürsinn besitzt, um neue Wege zu finden“. Weil wir alle am Hirtenamt Jesu teilhaben, kann dieses Bild uns alle bewegen. In den verschiedenen Aufgaben und Verantwortlichkeiten, die wir tragen, sollen wir manchmal vorangehen, manchmal mittendrin sein und manchmal hinterherlaufen. Das gilt für die Eltern in der Beziehung mit ihren Kindern, Lehrmeister:innen auf dem Weg mit Auszubildenden, Arbeitgeber:innen mit Arbeitnehmenden, Pflegepersonal gegenüber den ihnen Anvertrauten. Tatsächlich: Unsere Berufung wird dann spannend und belebend, wenn wir manchmal vorangehen, manchmal mittendrin sind und manchmal hinterher. Wir sind nicht nur Lehrende, sondern bleiben hoffentlich auch immer Lernende. Das zeichnet gute Hirtinnen und Hirten aus.
Ein Besuch im Stall
Das Bild vom guten Hirten ist vielen Menschen nicht mehr vertraut. Und doch ist es uns näher, als wir vermuten. Was es bedeutet, können wir vor Ort lernen. Bei unseren Pferden zum Beispiel lernen Führungskräfte ganz neue Qualitäten. Hier in Vorarlberg gibt es viele Landwirtschaftsbetriebe. Machen wir doch einmal einen Besuch und lernen wir dort, was Jesus mit dem Bild vom guten Hirten meint! Es ist uns näher, als wir vermuten.

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