Ehepaar trotzte den Unbilden des Lebens

Adele und Albert Keckeis meisterten schwere Schicksalsschläge.
Götzis Der Zweite Weltkrieg war für das Ehepaar Adele und Albert Keckeis ein schicksalhaftes Ereignis. Beide, Adele (86) und Albert (81), wuchsen ohne Vater auf. Ihre Väter waren nicht mehr aus dem Krieg zurückgekommen. Alberts Vater Raimund kam am D-Day um, also an dem Tag, an dem die alliierten Truppen an den Stränden der Normandie landeten und eine zweite Front gegen das Dritte Reich im Westen eröffneten. Er fiel am 6. Juni 1944, am Beginn der Schlacht um die Normandie. Auch Adeles Vater Josef wurde ein Opfer des Krieges. Er überlebte den Rückzug aus Polen nicht.
Angst vor den Russen
Adele, die im Jahr 1936 in Niederösterreich geboren wurde, hat noch Erinnerungen an den Krieg: „Ich sah Tiefflieger am Himmel. Das Surren der Bomber höre ich heute noch.“ Als am Kriegsende die Russen mit Panzern kamen, jagte dies dem neunjährigen Kind große Angst ein. „Ich kann bis heute keine Panzer sehen.“ Aber nicht nur das kleine Mädchen fürchtete sich vor den russischen Besatzern. „Manche Frauen suchten im Pfarrhof oder in der Kirche Zuflucht. Da gingen die Russen nicht hinein.“ Das Schicksal ihrer Firmpatin jagt Adele heute noch kalte Schauer über den Rücken: „Meine Godl lebte in Wien. Sie hörte die Russen in ihren schweren Stiefeln die Stiege hochkommen. Godl wollte auf keinen Fall in ihre Fänge kommen. Sie sagte sich: ,Bevor mich die Russen holen, springe ich runter.‘ Beim Sprung aus dem ersten Stock brach sie sich das Rückgrat und beide Fußknöchel.“
Albert, der 1942, also mitten im Krieg, geboren wurde, hört seiner Frau aufmerksam zu. Aber dann ergreift auch er das Wort. „Als Kind habe ich auf einem Acker ein ,Spielzeug’ mit einer Schnur gefunden. Als ich daran zog, rief mir mein Bruder zu: ,Wirf es weg, wirf es weg.‘“ Albert hörte auf seinen älteren Bruder. Das rettete ihm das Leben. Denn das Spielzeug war kein Spielzeug, sondern eine Handgranate, welche er unwissentlich gezündet hatte. Der Himmel wollte ihn damals noch nicht. Der hatte mit ihm noch einiges vor. Nach der Schule arbeitete Albert in einer Schuhfabrik in Götzis. Dort lernte er 1961 Adele kennen, die gerade in der Fabrik zu arbeiten begonnen hatte. „Unsere Firma veranstaltete einen Ball. Da sind wir uns nähergekommen“, erzählt das Paar, das einige Monate später zum Traualtar schritt. Die beiden bauten sich eine Existenz auf und gründeten eine Familie. Drei Kinder zogen die Keckeis’ groß. Albert arbeitete hart, um die Familie ernähren und das Haus abbezahlen zu können. „Wir legten jeden Groschen auf die Seite.“ Mit Heimnäharbeiten besserte seine Frau das Haushaltsbudget auf.
Messer in die Brust geschleudert
Gemeinsam kämpften sich Adele und Albert durch die Wirren des Lebens. Albert wurde gezwungen, öfters die Arbeit zu wechseln. Er war Fabrikarbeiter, Lkw-Fahrer, Tankwart, Sägewerker und zuletzt Museumsaufseher. Aber die Jobwechsel waren Peanuts im Vergleich zu den zwei schweren Schicksalsschlägen, die die Keckeis‘ heimsuchten. 2001 wäre Albert um ein Haar ums Leben gekommen. „Ich wollte eine alte Hobelmaschine ausprobieren. Als ich sie einschaltete, schleuderte es mir das frisch geschliffene Messer in den Oberkörper. Mein Brustbein, meine Lunge und eine Arterie wurden verletzt. Bevor ich das Bewusstsein verlor, sagte ich noch zum Notarzt: ,Ich will leben.‘“ 2014 schlug das Schicksal erneut zu. Christoph, einer der Söhne der Keckeis‘, verunglückte in den Bergen tödlich. Heute, knapp zehn Jahre danach, hat das Ehepaar zu der Tragödie einen gewissen Abstand gewonnen. „Das Leben geht weiter. Schicksalsschläge gehören zum Leben dazu“, meint Adele, die Menschen, die wegen einer Schramme jammern, nicht verstehen kann. Adele und Albert ließen sich von den Unbilden des Daseins nicht entzweien. „Man muss an einem Strang ziehen“, findet das Ehepaar, das immer nach diesem Grundsatz lebte. Die beiden sind froh, dass sie einander noch haben und jeder ein Hobby hat, das ihn ausfüllt. Albert fotografiert für Archivare alte Häuser und Adele schreibt Märchen und Kindergeschichten. „Ich möchte sie einem Verlag anbieten.“ VN-KUM
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