Freiheitliche punkten bei Facharbeitern
Wahlanalyst Hofinger: Herbert Kickl setzt die Strategie fort, die Jörg Haider begonnen hat.
SCHWARZACH Wenn FPÖ-Chef Herbert Kickl vor Anhängern erklärt, sie sollten sich von niemandem einreden lassen, der Rand der Gesellschaft zu sein, könnte das als Bestätigung für die Annahme betrachtet werden, seine Zielgruppe seien extrem Rechte oder zum Beispiel Menschen, die nichts haben. Das ist in dieser Form jedoch falsch. Kickl punktet weit darüber hinaus.
Resultate der Landtagswahlen
Das zeigen die Ergebnisse der jüngsten Landtagswahlen, die seine Parteifreunde vor Ort ohne sein Wirken wohl kaum erreicht hätten: In Salzburg gaben bei einer Befragung des Sozialforschungsinstituts SORA 17 Prozent der FPÖ-Wähler an, dass sie die Kommunisten gerne mit in der Regierung sehen würden. Extrem Rechten wäre das unvorstellbar. Aufschlussreich ist zudem das Wahlverhalten nach sozialem Stand. Auch wenn dazu nur ein indirekter Hinweis vorliegt, nämlich der über den formalen Bildungsabschluss: Den größten Zuspruch erfuhren die Blauen nicht nur in Salzburg, sondern auch in Kärnten und in Niederösterreich bei Lehrabsolventen, also Facharbeitern. Nicht bei Männern und Frauen, die allenfalls die Schulpflicht erfüllt haben. „Das relativiert ideologische Erklärungsversuche für den Erfolg der Freiheitlichen“, bestätigt der Politikwissenschafter Fritz Plasser.
Wobei es andererseits nicht neu ist. Herbert Kickl greift etwas auf, was Jörg Haider, einen seiner Vorgänger, in den 1980er und 1990er Jahren groß gemacht hat, wie Christoph Hofinger betont. Er leitet das Sozialforschungsinstitut SORA, führt für den ORF regelmäßig Wahltagsbefragungen durch und liefert auch die Hochrechnungen: „Der Aufstieg von Jörg Haider war eigentlich auf eine gesellschaftliche Krise der Facharbeiter zurückzuführen“, analysiert er. Sie seien unter Druck gekommen. Und zwar durch günstigere Arbeitskräfte aus dem Ausland sowie dadurch, dass, quasi an ihnen vorbei, immer mehr Männer und Frauen zu höherer Bildung und besser bezahlten Jobs kamen. Darunter hätten sie gelitten.
Hofinger betont, dass man die Diskriminierungserfahrungen nicht unterschätzen darf: „Es gibt Menschen, die auf Lehrabsolventen herabschauen.“ Haider habe das aufgegriffen. Und Kickl tue es nun in einem anderen Kontext wieder.
Abstieg droht
Heute seien Facharbeiter zwar umworben auf dem Arbeitsmarkt, jetzt setze ihnen jedoch die Teuerung zu. Auch mit einem ordentlichen Einkommen könne es bei stark steigenden Kreditzinsen fürs Haus oder aufgrund allgemein zunehmender Preise eng werden: „Sie kommen ökonomisch unter Druck“, sagt Hofinger. Man könnte auch sagen: Im Unterschied zu denen, die schon bisher wenig bis nichts hatten, droht ihnen ein spürbarer Abstieg oder kommt es wirklich zu einem solchen. Kickl knüpft daran an, indem er vermittelt, dass sie den Eliten egal seien. In seiner Maiansprache erklärte er in ihrem Sinne, ein „Volkskanzler“ werden zu wollen, der nach oben tritt.
Die Teuerung bleibt hoch, im April belief sie sich auf fast zehn Prozent. Politologe Plasser meint, dass sich das Potenzial für die Freiheitlichen vor diesem Hintergrund weiter steigern könnte. Es handele sich jedenfalls um einen Faktor, der dafür spreche, dass sie auf längere Sicht Wahlerfolge erzielen könnten. JOH
„Schon der Aufstieg von Jörg Haider war eigentlich auf eine Krise der Facharbeiter zurückzuführen.“
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