Kein klarer Favorit in Anatolien

Vorarlberg / 08.05.2023 • 19:54 Uhr / 3 Minuten Lesezeit
Hüseyin Çiçek sieht große Baustellen für den Sieger des Wahlgangs.

Hüseyin Çiçek sieht große Baustellen für den Sieger des Wahlgangs.

Ob die Auslands­türken den AKP-Sieg sichern ist ungewiss.

Ankara, Schwarzach „Im Moment ist es ein Kopf-an-Kopf-Rennen“, erklärt Hüseyin Çiçek von der Universität Wien am Montag in Vorarlberg LIVE zur Präsidentschaftswahl in der Türkei. Am Sonntag entscheidet die Türkei in einer Wahl, ob sich der langjährige Präsident Recep Tayyip Erdoğan im Amt halten kann oder ob Kemal Kılıçdaroğlu von der CHP-Opposition das Rennen für sich entscheiden wird. Die Auslandstürken können bereits seit Tagen in den Konsulaten ihre Stimme abgeben. Sie galten in früheren Wahlen als Sicherer der AKP-Regierung. Die Auslandstürken seien „das Zünglein an der Waage“, bestätigt Çiçek. Entsprechend wurde diese Wählergruppe in den vergangenen zwei Jahrzehnten von der AKP hofiert. „Ihr seid Teil unserer Gesellschaft, auch wenn ihr in der Ferne lebt“, fasst er die Botschaft Erdoğans zusammen.

In der Türkei werde der Wahlkampf stark auf die beiden Persönlichkeiten ausgerichtet und emotional geführt, berichtet Çiçek. So wurde am Sonntag eine Wahlveranstaltung der CHP mit Steinen beworfen, ungestraft durch die Polizei. Nach dem Erdbeben in der Grenzregion zu Syrien zeigten sich eklatante Schwächen des Systems Erdoğan. Aber ob und welche Folgen die damals laut gewordene Kritik auf das Wahlergebnis hat, lasse sich nur schwer abschätzen.

Während Erdoğan versucht, sich weiterhin als starker und gegenüber dem Ausland unnachgiebiger Anführer zu zeigen, verwendet die Opposition den autoritären Kurs der AKP gegen diese. Kılıçdaroğlu ist währenddessen auch nicht unbefleckt: Der aus einer alevitischen Familie stammende Herausforderer ließ sich öfter als Sympathisant der Grauen Wölfe wahrnehmen. Nun betont er seine kemalitisch-demokratische Position, um sein Image zu schärfen. Der Fokus liegt jedoch darauf, eine Erdoğan-Müdigkeit auszunutzen, doch die Zukunftsvision ist noch unklar. Es dürfte daher wohl auf einen zweiten Wahlgang hinauslaufen.

Es ist derzeit schwer zu sagen, inwiefern der Umgang mit der Erdbebenkatastrophe Erdoğan wirklich schaden wird.

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