„Besser, im Vaterlande zu sterben“

Vorarlberg / 12.05.2023 • 17:56 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Vorarlberger Hof am Bahnhofplatz Feldkirch, vor 1940. 
              
              Stadtarchiv Feldkirch

Vorarlberger Hof am Bahnhofplatz Feldkirch, vor 1940.

Stadtarchiv Feldkirch

Michael und Emmy Schnebel nahmen sich im Vorarlberger Hof das Leben, nachdem ihre Flucht missglückte.

Feldkrich Im Rahmen einer neuen gemeinsamen Serie blicken die VN-Heimat und das Jüdische Museum Hohenems auf das tragische Lebensende des Ehepaars Schnebel aus Garmisch-Partenkirchen. Im November 1938 wurden nämlich deren Leichname in einem Zimmer des Hotels Vorarlberger Hof nahe dem Feldkircher Bahnhof gefunden. Im Projekt www.ueber-die-grenze.at wird ihnen seit Juli 2022 eine von 52 Geschichten gewidmet.

Pensionierter Althistoriker

Der 1867 geborene Michael Schnebel und seine um 14 Jahre jüngere Frau Emmy stammten aus Nürnberg und waren 1930 nach Garmisch-Partenkirchen gezogen. Er lehrte zuvor einige Jahre an der Ludwig-Maximilian-Universität München und beschäftigte sich insbesondere mit der Papyrusforschung.

Beide waren bekannt für ihren selbstironischen Humor und ihre Liebe zur deutschen Literatur. Doch als im November 1938 an unzähligen Orten im Deutschen Reich Synagogen angezündet, jüdische Friedhöfe geschändet und jüdische Menschen misshandelt und drangsaliert wurden, zog am
10. November auch durch die Straßen des oberbayrischen Marktes ein nationalsozialistischer Mob. Die jüdische Bevölkerung wurde aus ihren Häusern gejagt, beschimpft und bespuckt. Zudem mussten sie einen Revers unterzeichnen, in dem sie zusicherten „Garmisch-Partenkirchen mit dem nächsten erreichbaren Zug [zu] verlassen und nie wieder zurück[zu]kehren“. Auch mussten Sie sich verpflichten, ihren Besitz, sämtliche „Grundstücke, Gebäude und Waren sofort von [ihrem] neuen Aufenthaltsplatz aus an einen Arier zu verkaufen“, wie der Lokalhistoriker Alois Schwarzmüller auf seiner Website www.gapgeschichte.de zu berichten weiß.

Ein SA-Mann begleitete das Ehepaar Schnebel zum Bahnhof, wo sie einen Zug nach Innsbruck bestiegen. Ihre Wohnung wurde versiegelt, das Einwohnermeldeamt notierte später auf ihrer Meldekarte: „Seit der Judenaktion unbekannt wohin verzogen.“ Noch am selben Tag erreichte das unvorbereitet aufgebrochene Paar, das über keine Reisedokumente verfügte, den Feldkircher Bahnhof. Beim Versuch, die Grenze in die Schweiz zu überqueren, wurden sie jedoch, mit Hinweis auf die fehlenden Pässe, zurückgewiesen.

Abschiedsbriefe

Daher mieteten sie ein Zimmer im Vorarlberger Hof am Bahnhofsvorplatz, wo sie letztmals am Abend des 11. November lebend gesehen wurden. Wenige Tage später berichtete das Gendarmeriepostenkommando Feldkirch an die übergeordneten Stellen sowie die Staatsanwaltschaft, dass Michael und Emmy Schnebel „tot in den Betten aufgefunden wurden“. Und der Bericht weiter: „Die aufgefundenen Abschiedsbriefe und vier Glasgefäße, in denen je 10 Stück Veronaltabletten waren, lassen zweifellos auf Selbstmord schließen.“

In beiden Briefen stand zu lesen: „Es ist das Beste, daß wir aus der Welt gehen, […] wir halten es für besser, im Vaterlande zu sterben, als in der Fremde zu verelenden. Wie Cicero bitten wir, in unserem Vaterlande sterben zu dürfen .“

Bestattet wurden sie zunächst auf dem katholischen Friedhof St. Peter und Paul, der sich unmittelbar hinter dem Hotel, in dem sie sich das Leben nahmen, befindet. Die letzte Ruhestätte von Michael und Emmy Schnebel sollte allerdings nicht in Feldkirch bleiben.

Dem Gräberbuch des Friedhofs St. Peter und Paul ist zu entnehmen, dass am 22. April 1949 eine Enterdigung und „Überführung auf den israel. Friedhof Hohenems“ durchgeführt wurde. Das dortige Grabregister wurde jedoch nicht mehr ergänzt, wodurch der genaue Beerdigungsort unbekannt bleibt. In einem undatierten Aktenvermerk der Marktgemeinde Hohen­ems wird lediglich auf den Bericht des ehemaligen Friedhofgärtners Ferdinand Drexel hingewiesen, der kritisierte, dass die Gräber für „2 jüdische Leichen“ die „durch einen Leichenbestatter aus Feldkirch nach Hohenems“ gebracht wurden „nur 1m tief gemacht worden“ wären. RAE

„Besser, im Vaterlande zu sterben“
Michael und Emmy Schnebel auf Aufnahmen vor 1938.Privat
Michael und Emmy Schnebel auf Aufnahmen vor 1938.Privat

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