Bundespräsident kritisiert Regierung in Posse um Bundesverwaltungsgericht

Vorarlberg / 15.05.2023 • 20:10 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Der Bundespräsident fordert die Regierung abermals zum Handeln auf, diesmal rund um eine Postenbesetzung.Reuters, APA
Der Bundespräsident fordert die Regierung abermals zum Handeln auf, diesmal rund um eine Postenbesetzung.Reuters, APA

Leitung des größten Gerichts nach sechs Monaten immer noch nicht besetzt.

Wien Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wird seit 1. Dezember nur interimistisch geführt. Damals ging Harald Perl in den Ruhestand. Bisher wurde er aber nicht nachbesetzt. Zwar fand ein Auswahlverfahren statt – aus dem laut unbestätigten VN-Informationen die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, als Bestgereihte hervorging –, noch hat die Bundesregierung aber keinen Ernennungsvorschlag an den Bundespräsidenten erstattet.

Das kritisierten gestern vier NGOs: Der Umgang der türkis-grünen Regierung mit der unabhängigen Justiz sei erschreckend. Denn Hintergrund ist ein Streit um einen anderen Posten: Die Volkspartei stimmt der Bestellung von Matejka mutmaßlich nicht zu, weil die Grünen die Bestellung des ÖVP-nahen Juristen Michael Sachs zum Generaldirektor der Bundeswettbewerbsbehörde unter Berufung auf ein Gutachten, wonach Sachs ungeeignet sei, blockieren.

Uneinigkeit seit Februar

Das zuständige Beamtenministerium von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) übermittelte bereits im Februar einen Entwurf für einen Ministerratsvortrag an die ÖVP. Ein Pressesprecher von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), in dessen Büro die Koalitionskoordination angesiedelt ist, bestätigt, dass in dieser Angelegenheit Uneinigkeit zwischen den Regierungsparteien herrscht: „Alle Ministerratsvorträge brauchen Einstimmigkeit. Aktuell gibt es Besetzungen, wo die Koalition nicht einig ist – diese gehört dazu.“ Bisher war immer nur von einzelnen Abstimmungen in der Koordination die Rede. Warum die ÖVP aber den Vorschlag nicht akzeptiert, blieb unbeantwortet.

All das „vermittelt die Botschaft, dass politische Interessen der Regierungsparteien wichtiger sind als die Unabhängigkeit der Justiz“, findet Nicole Pinter von Amnesty International deutliche Worte für die aktuelle Situation: „Die Regierungsparteien sind anscheinend nicht fähig, diese Stelle nachzubesetzen.“ Und das könne zu Menschenrechtsverletzungen führen: „Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Regierung oder eine Regierungspartei versucht, auf die Justiz Einfluss zu nehmen und politische Interessen durchzusetzen.“

Justizministerin Alma Zadić (Grüne) betonte im Oktober, dass die erstgereihte Person zum Zug kommen solle. Und auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sagte zuletzt, dass Entscheidungen von Kommissionen „zur Kenntnis zu nehmen“ seien; beim BVwG war diese hochkarätig besetzt.

„Gut beraten“ zu entscheiden

Ähnlich kritisch wie die NGOs sieht das Staatsoberhaupt die Vorgehensweise der Koalition: „Bundespräsident Alexander Van der Bellen sieht den langen Zeitraum bei der Besetzung von Schlüsselstellen der Republik sehr kritisch. Im Fall des Bundesverwaltungsgerichts scheinen alle Voraussetzungen für eine rasche Besetzung gegeben“, teilte ein Sprecher den Vorarlberger Nachrichten mit. Die „unabhängige Kommission unter dem Vorsitz von Höchstrichtern“ habe eine „eindeutige Empfehlung an die Bundesregierung“ abgegeben.

Der lange Zeitraum der Nichtbesetzung schade „dem Ansehen dieses wichtigen Amtes und trägt nicht zur Stärkung des Vertrauens in zentrale Institutionen in unserem Land bei“, so der Vertreter der Präsidentschaftskanzlei weiter: „Die Regierung ist gut beraten, hier rasch eine Entscheidung zu treffen.“ VN-WEM

Sabine Matejka wurde im Bewerbungsverfahren zur Bestgereihten.
Sabine Matejka wurde im Bewerbungsverfahren zur Bestgereihten.

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