Ein blutroter Sonnenuntergang
Es geht um 148.000 Stimmen. Das ist in der Menge etwas weniger, als bei einer Wahl in Vorarlberg auszuzählen sind. Müsste machbar sein, denkt man sich, vor allem wenn die SPÖ stets betont, dass es ja überhaupt keine Wahl, sondern lediglich eine Mitgliederbefragung sei.
Eine Befragung, in die sich die SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner freiwillig gewagt hat. Eine Befragung, die ein Befreiungsschlag sein sollte. Nun wird die nicht bindende Befragung am Ende nicht nur sie selbst demontieren, sondern hat längst die ganze Partei ins Chaos gestürzt. Eine Befragung, deren Rahmenbedingungen schon vor der Auszählung angezweifelt werden. Man hätte doch internationale Wahlbeobachter in die Parteizentrale an der Löwelstraße entsenden sollen.
Die abgegebenen Stimmzettel liegen schon ein paar Tage. Bis Montag sollen die Wahlurnen aus Niederösterreich nach Wien gebracht werden. Längst streitet die Partei über die Sicherheit des Verfahrens, will, dass USB-Sticks mit elektronisch abgegebenen Stimmen zugänglich gemacht werden.
Wann das Ergebnis feststehen wird, ist noch nicht klar. Irgendwann am Montag, mutmaßlich. Für die SPÖ wird es jedenfalls eine Woche der Ungewissheit. Fix ist in diesem sozialdemokratischen Theaterstadel nur: Was auch immer präsentiert wird, es wird den Konflikt in der SPÖ nicht beenden.
Die SPÖ verpasst zuverlässig weiterhin die historische Chance, einer allein durch Vertrauensverlust aneinandergeketteten konservativ-grünen Regierung mit kraftvoller Oppositionspolitik zu begegnen. Stattdessen tun alle so, als wär’ eh alles prima. Die Türkisen, die Grünen, die Roten.
Im Bund ist also nicht klar, ob ab nächster Woche Rendi-Wagner weitermacht, die SPÖ zu Doskozil umschwenkt oder Bobo-Liebling Babler emporsteigt.
Im Land Vorarlberg ist die Situation ähnlich. Die Nachbesetzung der roten Parteispitze ist zur Hängepartie geraten. In einer Zeit, in der Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) überraschend viel Platz für Oppositionsarbeit lassen würde. Doch auch die Vorarlberger SPÖ ringt um die Führung der Partei.
Not-Parteichefin Gabriele Sprickler-Falschlunger wollte den neuen roten Ländle-Spitzenfunktionär bereits Ende vergangenen Jahres vorstellen, dann im Februar. Nun ist Mai und alles deutet darauf hin, dass die Sozialdemokraten ihren neuen Chef erst in der Festspielwoche im Juli absegnen wollen. Gewerkschafterin Manuela Auer wünschen sich nach wie vor genügend Rote, doch auch der Name des SP-Nationalratsabgeordneten Reinhold Einwallner wird wieder vermehrt genannt. Währenddessen plustert sich der Bludenzer Stadtpolizeikommandant Mario Leiter politisch erneut auf. Er wollte vor zwei Jahren das Politische zugunsten der städtischen Polizeiarbeit hinter sich lassen, doch nun ist das anders: Er gäbe nun lieber die Uniform her.
Die SPÖ hätte durch die zunehmend verzweifelte Regierungsarbeit, durch die Teuerung, die nötigen Eingriffe in die freie Marktwirtschaft (nicht nur im Energiesektor) und die Wohnungsnot wahre Paradethemen. Es ist so gesehen die sozialdemokratischste Zeit.
Doch die SPÖ hat andere Probleme.
Gerold Riedmann
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Gerold Riedmann ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.
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