Vergoldet
Es soll Menschen geben, die eine gut bestückte Bibliothek zu Hause haben, Bücher in Wirklichkeit aber nicht lieben und schon gar nicht lesen. Es geht ihnen ausschließlich darum, etwas darzustellen. Es gibt Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der für das Parlament um 3000 Euro pro Monat ein vergoldetes Klavier anmieten ließ. Er hätte das nicht nötig gehabt, um einen Schein zu pflegen: Musik gehört zu seinem Leben, er hat unter anderem Violoncello studiert. Bei diesem Klavier ging’s jedoch durch mit ihm: Im Zuge der Parlamentssanierung war klotzen angesagt für den 67-Jährigen.
„Sobotka und seinesgleichen machen es einem bei vielen Dingen schwer: Sie geben vor, Höheres zu pflegen, tun das aber nicht aufrichtig.“
Unfreiwillig deutlich zum Ausdruck brachte er dies kurz vor der Eröffnung des Gebäudes im Jänner. Da ließ er sich auf einer Terrasse mit einem Glas Wein in der Hand filmen, um zu erklären, dass man sich auf die „exquisite Küche“ verlassen könne, die man hier in einem Restaurant „kredenzt“ bekomme: In diesem Moment zeigte er, dass es ihm darum geht, sich zu inszenieren.
Jetzt musste der Niederösterreicher kürzertreten. Das vergoldete soll durch ein „schlichtes, schwarzes Klavier“ ersetzt werden. Wobei es trotz aller Begleitmusik gar nicht so einfach ist zu sagen, dass das besser ist: Kunst und Kultur haben eine Bedeutung, der auch Politik gerecht werden sollte. Das Problem ist eher, dass sie dies nicht umfassend tut.
Zum Irrtierenden bei dem 3000-Euro-pro-Monat-Flügel gehört, dass die Republik gleichzeitig die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt, die Wiener Zeitung, einstellt. Sie ist nicht nur journalistisch, also demokratiepolitisch wertvoll, sondern auch ein Kulturgut. Ihr Ende ist von Sobotka jedoch mir nichts, dir nichts mitgetragen worden. Weil es sich nicht so einfach prahlen lässt mit ihr? Offenbar.
Sobotka und seinesgleichen machen es einem bei vielen Dingen schwer: Sie geben vor, Höheres zu pflegen, tun das aber nicht aufrichtig und richten so größeren Schaden an. Die weltweit üppigste Parteienförderung begründen sie gerne mit der Wichtigkeit starker Parteien. Aber muss sie jährlich automatisch um die Teuerung steigen, heuer also um 8,6 Prozent auf 34,5 Millionen Euro? Man könnte es rechtfertigen, wenn Parteien im Gegenzug ihrer Verantwortung gerecht werden würden und sich zum Beispiel adäquaten Transparenz und Strafbestimmungen unterwerfen würden.
Sie tun es aber nicht. Vor vier Jahren wurde durch das „Ibiza-Video“ bzw. Heinz-Christian Strache (FPÖ) klar, was alles geht. Schlimmer: Bis heute ist dem nur halbherzig Rechnung getragen worden. Ein Ergebnis davon ist, dass noch immer kein Politiker, der illegale Parteienfinanzierung betreibt, befürchten muss, hinter Gittern zu landen. Es bleibt ein Kavaliersdelikt. Womit die nächste Affäre eher früher als später öffentlich werden wird.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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