Gerold Riedmann

Kommentar

Gerold Riedmann

Lasst endlich den Konflikt hinter euch!

Vorarlberg / 02.06.2023 • 20:06 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Nur Männer brächten so einen Streit um den Vorsitz zusammen, kommentierte die Vorarlberger SPÖ-Vorsitzende Gabriele Sprickler-Falschlunger lakonisch. Sie kehrte aus berechtigter Sorge um die Partei zurück und übernahm 2021 erneut als Interim-Chefin. Die Cool-down-Phase für die roten Hitzköpfe Michael Ritsch, Martin Staudinger, Thomas Hopfner und Mario Leiter wurde notwendig, weil die Fetzen flogen – Stichwort: Abhöraffäre.

Nun rittern erneut zwei Männer um einen roten Vorstandssitz, dieses Mal eine Etage höher in der Bundespartei. Es wird mit allen Mitteln politisch gekämpft, bis aufs Blut. So hart, dass vor allem die SPÖ Schaden nimmt. Sie droht nicht weniger als zu zerbrechen. Babler ist längst zum Schwabler geworden: erst ist er im Interview bei Puls24 Marxist, wenige Stunden später in der ZiB2 ist er kein Marxist. In einem drei Jahre alten Interview, das selbstverständlich jetzt wieder auftaucht, redet Babler von der EU, als hätte sie Krieg über Europa gebracht. Das „aggressivste außenpolitische militärische Bündnis, das es je gegeben hat“, schlimmer als die NATO. Das kommt zwar einer Disqualifikation gleich. Doch ob die breite Öffentlichkeit nicht lieber einen Kandidaten hätte, der als Bürgermeister von der Basis kommt, als einen Machtpolitiker, der seit Jahren gegen die Führung querschießt? Ebenso gut möglich.

Nachdem die Genossen bewiesen hatten, dass die nicht bindende Mitgliederbefragung vor allem eines war – nicht bindend – stehen alle verwundet da. Es gibt keinen klaren Sieger, nur eine glücklose Verliererin. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig hat mit ihr eine empfindliche Niederlage erlitten, konnte er seine Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner nicht halten. Rendi-Wagner legt derweil eine Leidensfähigkeit an den Tag, die ihresgleichen sucht. Niedergemacht worden sei sie in den endlosen Sitzungen, ein unverschämter und respektloser Umgang von Parteifreunden mit der Noch-Vorsitzenden wird beklagt. Rendi-Wagner ist die Einzige, die sich an innerparteiliche Abmachungen hält und einen professionellen, ruhigen Rückzug angetreten hat. Was mag das Kraft kosten!

Auch außerhalb der SPÖ hat das Parteienspektrum seine Wünsche an die Sozialdemokratie, es sprießt die Hoffnung nach einer Ampel-Koalition: Die Grünen fürchten wie Neos Stimmverluste beim linken Kandidaten Babler und sind deshalb stille Mitglieder im Team Dosko. Die ÖVP sieht Doskozil näher an der eigenen Politik, hätte wohl gern Babler. Leider ist aber die ÖVP selbst von der eigenen Bräsig- und Farblosigkeit in der Regierung zu schaumgebremst, zu gelähmt, als dass sie irgendeinen Vorteil aus der roten Schwäche zöge.

Wie der Gewinner des Samstags jetzt die zerstrittene SPÖ einen soll, ist völlig unklar. Auch wenn Doskozil und Babler sich gegenseitig einbinden sollten – dann haben sie immer noch nicht den Wiener Bürgermeister, die mächtigste Stimme in der Sozialdemokratie, hinter sich. Gut möglich, dass der Konflikt weitergeht.

In Vorarlberg brauchte es zwei Jahre, um die SPÖ in ruhigeres Fahrwasser zu führen. Zwischenzeitlich ist fix, dass der Bludenzer Stadtpolizist Mario Leiter übrig geblieben ist und seine Uniform gegen den landespolitischen SP-Führungsjob tauschen wird. Die Krönung durch die Gremien findet in der Festspielwoche statt.

Gerold Riedmann

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Gerold Riedmann ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.