Löwelstraße wird zur Löwinger-Bühne

Es war schon öfter ziemlich schwierig, Österreichs Politik im Ausland zu erklären. Nun versteht sie aber auch im Inland niemand mehr. Die SPÖ ist nach diesem selbstzerstörerischen Wochenende am Nullpunkt angekommen, sie versinkt im roten Chaos. Nicht weniger als ein kompletter Neuanfang tut not.
Nachrichtenmoderator Martin Thür konnte die Rechnung nicht glauben, die von der SPÖ am Bundesparteitag aufgetischt wurde. “316+279=595 und nicht 596” rechnete er auf Twitter nach. Es müsse bei der Auszählung der Wahl Babler vs. Doskozil eine Stimme verloren gegangen sein, lautete der hilflose Antwortversuch aus der Partei. Und weil ihm das keine Ruhe ließ, fragte der Zeit-im-Bild-Journalist in der SP-Parteizentrale nach. 24 Stunden später will die SPÖ nicht nur die fehlende Stimme (sie war ungültig) gefunden haben, sondern auch einen folgenschweren Excel-Fehler. Wenn das, was man nun weiß, dieses Mal stimmen sollte, wurden offenbar die Ergebnisse zu den Namen vertauscht.
Doch was ist wahr, was ist falsch? Am Nachmittag tauchten Gerüchte auf, es wären wieder zusätzliche Stimmen aufgetaucht. Somit wird die Partei ein weiteres Mal auszählen müssen, so wie auch der nunmehrige Offenbar-Sieger Andreas Babler es in einem nüchtern-ernsten Statement gefordert hatte. Seien Sie auch am Dienstag gefasst auf ein Update zum SPÖ-Ergebnis.
Tatsächlich ist ,alles möglich und nix fix’, das wusste schon Rainhard Fendrich. Nochmal auszählen? Neuer Parteitag? Wem glauben? Das alles sorgt für maximale Verunsicherung bei Wählern, ein Gefühl, das es nun wirklich nicht zusätzlich gebraucht hätte. Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hat mit dem wohlgemerkt von ihm losgetretenen Putschversuch die bisher absolut glücklose Königin Rendi-Wagner politisch ermordet, damit aber auch die SPÖ in Schutt und Asche gelegt. Nun zieht er sich zurück. Danke für nichts!
Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig als bisheriges Machtzentrum der SPÖ und all die anderen Granden ließen das geschehen. Heute ist die SPÖ die Partei von Absurdistan. Über die Landesgrenzen hinweg der Lächerlichkeit ausgeliefert.
Das Neuwahl-Gespenst geht erneut um und die ÖVP hat am Abend dazu beraten, doch sie bleibt dabei: niemand will Neuwahlen. Somit steht die SPÖ weiter im Fokus.
Neben all den internen Machtkämpfen. Neben aller Unprofessionalität. Einmal beiseite gelassen, dass die Parteizentrale an der traditionsreichen Löwelstraße agiert als wäre sie die Löwinger-Bühne: Für das österreichische Konzept der ökosozialen Marktwirtschaft, mit der diese Republik Jahrzehnte gut gefahren ist, ist die Sozialdemokratie unabdingbar. Sie hat Österreich geprägt, sie hat Wien geformt. Die Kombination von Schwarz und Rot, der wir so überdrüssig geworden sind, brachte jedenfalls Stabilität. Das kann man seither nicht behaupten. Jedenfalls ist die SPÖ ,too big to fail’. Deshalb ist es eine grundlegende Frage unserer Demokratie, dass eine der größten Parteien dieses Landes endlich wieder zu Sinnen kommt.