Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Glückssache Eigentum

Vorarlberg / 09.06.2023 • 21:49 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

„Schaffa, schaffa, Hüsle baua“ gilt nicht mehr. Genauer: Für einen Arbeiter oder einen Angestellten mit einem durchschnittlichen Einkommen ist es unmöglich geworden, allein durch Leistung zu so viel Geld zu kommen, dass er ein Haus bauen kann. Das ist eine gefährliche Entwicklung: Rechtzeitig gebildetes Eigentum bewahrt vor Altersarmut. Oder: Wozu leisten, wenn sich ein so zentraler Traum vieler Menschen nicht mehr realisieren lässt? Schlimmer: Es trägt dazu bei, dass wachsende Teile der Gesellschaft das Gefühl haben zu verlieren.

Man macht es sich zu einfach, wenn man meint, Eigentum sei nicht so wichtig. Umgekehrt ist es nicht einfach, das Problem zu lösen. Gerade in Vorarlberg ist es schwierig: Das Land wächst rasant. Bevölkerungsmäßig. Der Boden bleibt begrenzt. Das allein führt schon zu steigenden Preisen. Zweitens: Baukosten haben in jüngster Zeit extrem stark zugenommen und (drittens) die Zinsen haben sich in ebenso kurzer Zeit vervielfacht. Wer vor zwei Jahren für ein Projekt 100.000 Euro mit einer Laufzeit von 20 Jahren aufgenommen hat, sei zu einer monatlichen Rate von 483 Euro gekommen, rechnet der Wohnbauexperte Wolfgang Amann vor. Heute würden ausschließlich erhöhte Bau- und Finanzierungskosten für dasselbe Projekt eine Rate ergeben, die 823 Euro beträgt. Das sind um rund 70 Prozent mehr. Keine Lohnentwicklung konnte da mithalten.

Diese Woche haben sich auch die Landeshauptleute des Problems angenommen und das aufgegriffen, was Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) aus Niederösterreich schon seit dem vergangenen Sommer fordert: eine Lockerung verschärfter Kreditvergaberichtlinien. Die Finanzmarktaufsicht, die dafür zuständig ist, hat bisher abgewunken. Jetzt steht eine gesetzliche Änderung im Raum. Im besten Fall werden junge Leute am Ende eher zu Geld kommen können, die Summen, um die es geht, sind mittlerweile aber so groß, dass man nicht weiß, ob das noch gut für sie ist.

In Wirklichkeit ist das Problem so vielschichtig, dass man Foren mit Bürgern, Experten und Politikern dazu abhalten sollte. Letzten Endes geht es schließlich darum, ein Auseinanderdriften der Gesellschaft zu verhindern. Ganz brutal formuliert: Es muss dafür gesorgt werden, dass Eigentumsbildung nicht nur eine Glückssache ist; also eine Angelegenheit, die allein davon abhängig ist, dass man ordentlich geerbt hat.

Was könnte man tun? Die Möglichkeiten reichen von Vorgaben, die zu kleineren, aber mehr Baugrundstücken führen über eine Ausweitung der Wohnbauförderung und eine Entschärfung von Kreditvergaberichtlinien bis hin zur Einführung einer Erbschaftssteuer, weil es bei dem Ganzen ja auch um Umverteilungsfragen geht.

Auch wenn „Schaffa, schaffa, Hüsle baua“ in der ursprünglich verstandenen Form wohl nie wieder gelten wird für eine Masse, sollte man ohne Scheuklappen und im Sinne einer ganzheitlichen Lösung über alles reden. Zumal die Herausforderungen nicht kleiner werden: Nicht zu vergessen sind ja die ebenfalls steigenden Mieten, die eine Art Mietfalle mit sich bringen: Wenn beim besten Willen nichts übrigbleibt, um zu sparen, geht sich auch die mickrigste Eigentumswohnung nicht mehr aus.

„Wozu leisten, wenn sich ein so zentraler Traum vieler Menschen nicht mehr realisieren lässt?“

Johannes Huber

johannes.huber@vn.at

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