Aufbruch
Frau Ammann und ich, wir haben beide kein Parteibuch, aber eine Meinung, wenn’s sein muss. Kleines Nachwort zum roten Drama. Natürlich waren die Spott- und Hämetiraden, die über den grässlichen Fauxpas der SPÖ- Mitgliederwahl niedergingen, nachvollziehbar, und doch könnten sich einige Schenkelklopfer, die DIE Sozialdemokratie schon in Grund und Boden lachen wollten, getäuscht haben. Wie Gerold Riedmann treffend sagte, die Partei ist samt ihrer Geschichte und Verantwortung nach wie vor „too big to fail“, und für die soziale und politische Balance in unserm Land und als Gegengewicht zur rechten Achse ein unabdingbarer Faktor.
Unverbraucht
Leider haben einige Personen, die fürs Wahlprozedere verantwortlich waren, kläglich versagt und sind dafür zur Rechenschaft gezogen worden, von Implosion der Partei aber kann keine Rede sein. Im Gegenteil – der junge Block der Bewegung ist offenbar aufgewacht und schart sich nun hinter einem unverbrauchten Chef zum Aufbruch. Kein Schaden für die Demokratie. Der Vorarlberger Landesvorsitzende der Jungen Generation SPÖ, Elias Wehinger, hat die Anwürfe klug gekontert: „Wir haben keine Festplatten geschreddert und das Land nicht an russische Oligarchen verkaufen wollen.“ Und somit die Gewichtung der Sünden wieder zurechtgerückt.
Auch Bablers Marxismus-Sager war wohl nur eine temporäre Irritation. Frau Ammann wollte Ihnen ein Zitat aus der spitzen Feder eines bekannten Kulturkritikers zu diesem Thema nicht vorenthalten – Heinz Sichrovsky schrieb im „News“: „Schön, dass Babler auf die EU schimpfen und sich einen Marxisten nennen durfte und trotzdem gewonnen hat.“ Und bezüglich marxistischer Brille: „Es kommt darauf an, was man sich heraussucht: die Gerechtigkeits- vision oder die teils perversen Strategien ihrer Umsetzung“ – weshalb der Kommunismus zu recht auf dem Müll der Geschichte gelandet ist.
Im Hinblick auf sozialpolitische Standpunkte, konkretisierte er: Selbst „Jesus müsste sich heute von publizistischen Kameradschaftsbündlern und geläuterten Kurz-Groupies diesbezüglich einiges anhören (so wie insgesamt gegen eine beliebige Auswahl an Religionsstiftern marxismustechnisch mindestens Vorerhebungen angezeigt wären).“
Authentisch
Das Bild wird sich mit der Zeit wohl relativieren, vor Kommunisten müssen wir uns nicht mehr fürchten und wenn Babler im Furor entgleiste Aussagen in Hinkunft mit Vernunft zu zügeln lernt, sollte man seine Anlagen zum Staatsmann reifen zu können, nicht unterschätzen. Sein wichtigstes Asset ist offenbar das Herz auf der Zunge, und damit seine Authentizität, das hat es in unserer geschliffenen Politlandschaft seit Jahren nicht gegeben.
Ein schlechter Mensch sieht jedenfalls anders aus, meint Frau Ammann, er hat sich eine Chance verdient.
„Das Bild wird sich mit der Zeit wohl relativieren, vor Kommunisten müssen wir uns nicht mehr fürchten.“
Reinhold Bilgeri
reinhold.bilgeri@vn.at
Reinhold Bilgeri ist Musiker, Schriftsteller und Filmemacher, er lebt als freischaffender Künstler in Lochau.
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