Unerwartete Entdeckung in Bregenz

Bundesdenkmalamt förderte ein Alemannengrab und Überreste einer Vorgängerkirche zutage.
Bregenz In Bregenz stoßen Baufirmen immer wieder auf Überreste aus dem alten Bregenz. Vor allem im Gebiet am Ölrain sind römische Artefakte und Mauerreste alter Gebäude zu finden. Im Zuge der Renovierung und Restaurierung der im Jahr 1097 erstmals urkundlich erwähnten Stadtpfarrkirche St. Gallus sind steinerne Zeitzeugen der letzten 1000 Jahre und mehr entdeckt worden.
Wichtige Zeugnisse der Geschichte
Ungeachtet der durch die denkmalpflegerischen Arbeiten bedingten Verzögerungen sind bei den Verantwortlichen der Pfarre St. Gallus strahlende Gesichter zu sehen. „Die unterirdisch erhaltenen Überreste sind Teil des Baudenkmals und wichtige Zeugnisse der Geschichte – Zeugnisse nicht nur der kirchlichen Baugeschichte, sondern auch der Geschichte der Menschen, die hier gelebt haben und bestattet wurden“, so Kurt Mathis, PR- und Marketingbeauftragter der Pfarre St. Gallus.
Kleine Kopie der Klosterkirche
Angesichts der unerwarteten Entdeckungen des Bundesdenkmalamts wird die Freude verständlich. Archäologe Andreas Picker erklärt: „Die aktuellen Ausgrabungen zeigen, dass im Hochmittelalter, um die Zeit der ersten urkundlichen Erwähnung der Pfarrkirche 1097, eine massive Steinkirche mit Rechteckchor existierte. In einer zweiten romanischen Bauphase wurde diese zu einer dreischiffigen Basilika erweitert. Hier stand also einst eine kleine Kopie der damaligen Klosterkirche der Mehrerau.“ Die heutige Länge der Kirche dürfte bereits um 1380 erhalten worden sein. Nach einem Brand im Jahr 1477 erfolgte ein Wiederaufbau im gotischen Stil.
Alemannengrab entdeckt
Im Grabungsfeld im Kirchenschiff wurden Gräber mit verzierten Grabplatten entdeckt, die vom späteren Kirchenboden überdeckt waren. Im Bereich des Chors, am südlichen Chorpfeiler, wurde zudem ein Alemannengrab aufgefunden. Picker erklärt: „Es wurde bereits 1937 beim Einbau der Luftheizung vom Landesmuseum aufgrund eines Schwerts als Grabbeigabe entdeckt. Lange Zeit war nicht ganz klar, wo genau es sich befindet. Wir wissen heute, dass der Chorpfeiler ein Teil der Gebeine überdeckt.“ Die Alemannen ließen sich bekanntlich ab Mitte des 5. Jahrhunderts zwischen Bodensee und Kummenberg nieder. Um das Jahr 600 kamen die irischen Mönche Kolumban und Gallus ins Land. Sie sollen 610 eine zerstörte Kirche aufgefunden und wieder errichtet haben. Die Unfreundlichkeit, die den beiden Missionaren entgegenschlug, soll sie zu dem Ausspruch von der „concha aurea“, der goldenen Schale, veranlasst haben, in die sich Bregenz zwischen See und Berg schmiegt, die aber voller giftiger Schlangen sei.
Begehbare Gruft wiederentdeckt
„Kirchenarchäologie ist durchaus vergleichbar mit detektivischer Arbeit“, erklärt Andreas Picker. Der Archäologe verdeutlicht dies anhand der endoskopischen Untersuchung, mittels der eine vor den Chorstufen errichtete, begehbare Gruft wiederentdeckt wurde. Das von oben sichtbare Ziegelgewölbe entstand im Zuge der Barockisierung der Stadtpfarrkirche 1737/38 und bot Platz für 36 Priestergräber. Aus hygienischen Gründen untersagte Joseph II. (1741–1790) diese Form der Beerdigung in Kirchen, weshalb viele Nischen in der Gruft unbesetzt sind. Picker sagt: „Viele unserer Erkenntnisse sind nur aufgrund der archäologischen Nachforschungen möglich. Die Kombination aus schriftlicher Überlieferung und baulichem Befund erlaubt uns mitunter, die Geschichte neu zu schreiben.“
Versierte Archäologinnen
Die Funde in der Stadtpfarrkirche werden akribisch aufgenommen und vom archäologischen Büro Talpa aus Wörgel wissenschaftlich dokumentiert. Das Unternehmen war des Öfteren für das Bundesdenkmalamt in Bregenz im Einsatz, um Funde zu dokumentieren. So etwa am Leutbühel, am Ölrain oder im ehemaligen Böckle-Areal. Reste einer römischen Straße und eines Gebäudes konnten sie auch im Bereich des ehemaligen Landspitals dokumentieren. HAPF
