Im Spiel des Lebens

Liebe Leserin, lieber Leser!
Stellen Sie sich einmal ein ganz normales Fußballspiel vor. Die Mannschaften sind mit Feuereifer dabei. In jeder Mannschaft wird gelaufen; die Spieler bewegen sich, nehmen günstige Positionen auf dem Spielfeld ein; sie schauen, wo ihre Mitspieler stehen und sie tun das, was ihnen neue Torchancen eröffnet: Sie spielen einander den Ball zu. Das hat Vorteile!
Was aber, wenn ein Spieler ganz alleine voranstürmt und den Ball nicht abgegeben will? – Selbst wenn dieser Spieler mit aller Anstrengung versucht, mit dem Ball voranzukommen; und wenn er auch eine noch so gute Kondition hätte und ihm die Luft nicht ausgehen würde, selbst dann hätte er vermutlich keine Chance. Ein Spieler im Alleinkampf gegen alle anderen – so wird er verlieren: den Ball, seine eigene Mannschaft, das Spiel. Und irgendwie verdirbt er damit auch den anderen den Spaß an der ganzen Sache.
Worauf kommt es also an, wenn jemand spielt? – Er muss darauf vertrauen können, dass er nicht zu kurz kommt, wenn ein anderer und nicht er selbst das Tor schießt. Er muss vertrauen können und einfach Mitspieler sein. Wer im Spiel seine ganzen Gedanken darauf verwendet, im Alleingang besser, schneller, weiter als alle anderen zu sein, wer so nur auf sich selber schaut und nicht abgegeben kann, der wird auch nicht gewinnen.
Im Evangelium des morgigen Sonntags (Mt 10,37-42) spricht Jesus etwas ganz ähnliches an. Er spricht von den Menschen und vom Leben. Er meint: „Wer sein Leben gewinnen will, wer es festhält, wird es verlieren.“ – Wer verbissen nur auf das schaut, was er für das Wichtigste im Leben hält, auf das, was er für sein Leben braucht, der wird verlieren.
Und umgekehrt: „Wer sein Leben verliert, der wird es gewinnen.“
Worauf will Jesus hinaus? Ich glaube, das Leben kann einem zur Falle werden, in der man sich ganz leicht selbst verfängt: Wie schwer ist es, einen fixen Gedanken loszulassen, wenn wir ihn doch so gut finden! Wie mühsam ist es, eine Sicht der Dinge zu verändern, die uns vielleicht sehr gefällt, weil sie für uns angenehm, normal, gewöhnlich ist. Wie mühsam ist es, sich von einem Bild, von einer Vorstellung zu trennen, die wir uns von einem Menschen, von einer Situation, von einer Sache, von der Kirche zurechtgelegt haben? Immer, wenn wir unbedingt etwas so und nicht anders sehen und glauben und haben wollen, tappen wir leicht in diese Falle. Und das bedeutet: Verloren!
Umgekehrt gilt, im Spiel wie im Leben: Wem es gelingt, auf seine Mitspieler zu vertrauen, der wird ihnen immer wieder den Ball zuspielen können, er wird von ihnen angespielt, das Spiel wird schnell, leicht, elegant, es wird mehr Freude machen und es werden auch mehr Tore fallen.
Gott spielt uns im Leben viele Bälle zu: Ereignisse, Herausforderungen, Chancen … Dabei sind wir aber nicht alleine auf dem Spielfeld des Lebens! Auch hier dürfen wir abgeben und uns anspielen lassen von den anderen.
Ist nicht auch das der eigentliche Sinn meines Lebens: Dass ich eben nicht Alleinkämpfer sein muss, dass nicht immer nur alles von meinen Fähigkeiten, Vorstellungen und Begabungen abhängt?
Um wie viel reicher, spannender, ja leichter und eleganter wird unser Leben, wenn wir es miteinander leben, wenn wir aufeinander vertrauen und uns voneinander beschenken lassen: In der Familie, in der Schule, in den Vereinen, im Beruf, in der Gemeinde – ja und gerade in der Kirche?
Sicher, wir werden dabei auch verlieren – verlieren an Stolz, Einbildung, Überheblichkeit, Rechthaberei, Sturheit, Egoismus… Aber das kann nur ein Gewinn sein für das große Spiel des Lebens, in dem alle zum Zug kommen wollen.
„Wer sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es gewinnen“ – in diesem Sinn sind wir in die Nachfolge Jesu gerufen, um bei den Mitmenschen und bei Gott die großen Sieger zu werden.
