Warten auf weniger schlechte Zeiten

Vorarlberg / 02.07.2023 • 21:47 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Vor allem die Teuerung macht den Regierungsparteien aktuell zu schaffen.APA
Vor allem die Teuerung macht den Regierungsparteien aktuell zu schaffen.APA

Teuerung setzt Bürgern, aber auch Regierenden zu: Für ÖVP und Grüne gilt das Prinzip Hoffnung.

SCHWARZACH Meinungsumfragen sind grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen. In wahlkampffreien Zeiten zu erforschen, wem Bürgerinnen und Bürger ihre Stimme geben würden, ist aber überhaupt von begrenztem Wert. Viele haben sich bisher nicht einmal Gedanken darüber gemacht und geben daher keine oder einfach nur irgendeine Antwort, die am nächsten Tag vielleicht schon wieder anders ausfallen würde. „Ungleich intelligenter ist die Frage, ob es ihnen sozial-wirtschaftlich besser oder schlechter geht als vor einem Jahr oder zum Zeitpunkt des letzten Urnenganges“, erklärt der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier.

Die Angaben seien selbstverständlich höchst subjektiv. Wenn aber eine klare Mehrheit sage, dass sich die Verhältnisse verschlechtert hätten, „verlieren Regierungsparteien bzw. gewinnen Oppositionsparteien“. Sehe eine Mehrheit hingegen eine Verbesserung, sei es umgekehrt. Dann dürften Regierungsparteien frohlocken. „Das ist empirisch belegt“, so Filzmaier. Seit geraumer Zeit zeigen Erhebungen der Statistik Austria, dass in Österreich viel eher ein Rückgang als eine Zunahme des verfügbaren Haushaltseinkommens geortet wird. Das ist übel für ÖVP und Grüne, die die Regierung bilden – und spricht auch gegen allfällige Neuwahlgedanken. „Bei einer solchen Grundstimmung macht es für sie Sinn, nach dem Prinzip Hoffnung zuzuwarten, solange es geht“, analysiert Filzmaier. Regulär gewählt werden muss erst im Herbst 2024.

Viele Gründe für Inflation

Bis dahin könnte die Teuerung weniger hoch ausfallen. Sie ist es, die den Regierungsparteien – neben anderen Dingen – vor allem zu schaffen macht, weil sehr viele Menschen das Gefühl haben, dass es finanziell enger wird für sie; oder weil das wirklich der Fall ist.

Für die Teuerung gibt es viele Gründe, wie zuletzt auch Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) betonte, nachdem er in einem Interview in besonderer Weise auf die hohen Lohnabschlüsse verwiesen hatte. Gestützt wurde sie laut einer Analyse des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO zunächst etwa ausgerechnet auch durch großzügige Ausgleichsmaßnahmen des Staates. Hintergrund: Wenn viele Leute mehr Geld haben und auch ausgeben, kann das zu Preissteigerungen führen.

Keine übermäßigen Abschlüsse

Kräftige Lohnerhöhungen zu Jahresbeginn haben laut WIFO ebenfalls dazu beigetragen. Dieser Effekt habe jedoch rasch nachgelassen. Stefan Schiman-Vukan, Mitarbeiter des Instituts, meint, dass es bisher nicht zu übermäßigen Abschlüssen gekommen sei: „Übermäßig in dem Sinn, dass sie sich ähnlich an Wirtschaftswachstum und Inflation ordiniert haben wie im Durchschnitt der letzten 20 Jahre.“ Und: „Meine persönliche Einschätzung ist, dass es auch weiterhin so sein wird.“

Insgesamt werde für die weitere Entwicklung der Teuerung „ein Zusammenspiel unterschiedlicher Präferenzen im Land“ entscheidend sein: Ist man für preisdämpfende Maßnahmen (das WIFO empfiehlt etwa eine Mietpreisbremse), Zurückhaltung bei den Lohnabschlüssen oder nimmt man eine etwas länger andauernde höhere Inflation hin.

Teuerung bleibt stark

Heuer werden die Preise um durchschnittlich siebeneinhalb Prozent steigen. „Normal“ waren in der jüngeren Vergangenheit zwei Prozent. Für das kommende Jahr wird zwar ein deutlicher Rückgang auf rund vier Prozent erwartet. Der Zuwachs würde damit aber eben noch immer deutlich über dem gewohnten Niveau liegen.

Ob sich die allgemeine Stimmungslage in der Bevölkerung bis zu einer Nationalratswahl im Herbst 2024 zugunsten von ÖVP und Grüne umdrehen könne, sei daher fraglich, wie Filzmaier betont – „sie könnte sich zumindest aber abmildern“. JOH

„Wenn es einer Mehrheit schlechter geht als vor einem Jahr, verlieren Regierungsparteien.“

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