Gerold Riedmann

Kommentar

Gerold Riedmann

Die Verwandlung zum Kunstwerk

Vorarlberg / 07.07.2023 • 22:51 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Könnte eine kulturelle Initiative, so wie in den Neunzigerjahren das Kunsthaus Bregenz, heute entstehen und zu solch einer Größe anwachsen? Wäre das nötige Kapital aufzutreiben, ließe das politische Klima im Land die Entstehung einer so wunderbar-notwendigen Institution zu?

Nein. Es geht aktuell in die umgekehrte Richtung. Die Vorarlberger Kulturhäuser-Betriebsgesellschaft hat aus budgetären Gründen das Programm einschränken müssen: Im Vorarlberg Museum und im Kunsthaus Bregenz wurde je eine Ausstellung eingespart, im Landestheater nur acht Inszenierungen statt neun vorgesehen. Ja, das Land hat das Kulturbudget um drei Prozent angehoben. Angesichts der hohen Inflation kommt das einer Kürzung um sieben Prozent gleich.

Die Hälfte aller Vorarlberger Künstlerinnen und Künstler sind armutsgefährdet, wie wir aus der zuletzt veröffentlichten Prekariatsstudie wissen.

Zu Beginn der Festspielsaison ist oft von der Umwegrentabilität die Rede. Als wäre Rechtfertigung nötig für Kultur. Rechtfertigung, wie sehr die Region doch profitiere, dass Kultur sich doch rentiert. Als wäre dies das Ziel.

Kunst ist nicht Vernunft. Kultur provoziert die Gedanken, eröffnet neue Welten, bringt Inspiration, Ideen, Zerstreuung, Freude. In einer Zeit, die genug freudlose Aspekte bietet.

In diesem Umfeld hat das Kunsthaus mit seinem Direktor Thomas D. Trummer eine Chance ergriffen. Im Jänner wurde bekannt, dass die russische Dissidentin Anna Jermolaewa Österreich auf der Biennale in Venedig vertreten wird. Trummer, der mit dem bescheidenen Budget in den vergangenen Jahren immer wieder Werke von Jermolaewa für das KUB ankaufte, ergriff die Chance für Bregenz.

Das KUB räumte das Erdgeschoss und es entstand in wenigen Monaten mit viel Engagement eine zusätzliche Ausstellung, die Bregenz nah an die Biennale bringt.

Jermolaewa stilisiert Kriegs-Brieftauben zu Helden, sie hat sich sehr mit dem verstrahlten Sperrgebiet rund um das Atomkraftwerk Tschernobyl beschäftigt. Und weil die Gerüchte von mutierten Kreaturen, Fabelwesen gleich, ihre Runden machten, fotografierte sie die Tiere Tschernobyls mit Wildkameras.

Aus der Serie „Chernobyl Safari“ drucken die VN heute gemeinsam mit dem Kunsthaus Bregenz ein Werk von Anna Jermolaewa ab. Die Künstlerin und Kunstprofessorin gestaltete die Kunst-Doppelseite im Kulturteil dieser Ausgabe. Anna Jermolaewa wird am Montagabend die Seite für Leserinnen und Leser im Bregenzer KUB signieren – und so Ihre Zeitung in ein einmaliges Kunstwerk verwandeln.

Auch als klares Signal dafür, wie wichtig Kunst und Kultur für die Menschen dieses Landes sind.

Gerold Riedmann

gerold.riedmann@vn.at

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Twitter: @gerold_rie

Gerold Riedmann ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.