„Das System ÖVP tut dem Land nicht gut“

FPÖ-Landesparteiobmann Christof Bitschi bereitet sich auf eine “Schicksalswahl” vor.
Es wird Sie nicht überraschen, dass Zeugnisnoten dieses Jahr eine Rolle bei den Sommergesprächen spielen. Welche Note würde die grüne Doppelspitze aus Eva Hammerer und Daniel Zadra von Ihnen bekommen?
Dass ich mit der Performance der grünen Landesregierung nicht zufrieden bin, dürfte Sie nicht sonderlich überraschen. Zudem kann man aber auch in der Bevölkerung wahrnehmen, dass es eine große Ablehnung gegenüber der schwarz-grünen Koalition an sich gibt. Darum bin ich mir sicher, die nächsten Landtagswahlen, die ja auch so eine Art Zeugnisverteilung sein werden, werden dann in die richtige Richtung gehen.
Die FPÖ erzielt derzeit auf nationaler Ebene zahlreiche Erfolge. Was wäre denn Ihr Ziel für die nächste Landtagswahl?
Wir haben in Österreich überall die gleiche Entwicklung. Bei den Landtagswahlen legen wir Freiheitliche stark zu. Die noch amtierenden Landeshauptleute von ÖVP verlieren deutlich an Vertrauen. Und das ist auch die Stimmung, die ich so in Vorarlberg wahrnehme. Mein großes Ziel ist, dass wir das auch im nächsten Jahr einen großen Erfolg für Vorarlberg umsetzen werden.
2018 haben Sie Landeshauptmann Markus Wallner harsch kritisiert. Wie stehen Sie heute zu ihm und würden Sie eine Koalition mit der Wallner-ÖVP ausschließen?
Ich habe damals schon die kritischen Entwicklungen in der ÖVP angesprochen. Leider muss man sagen, über die Jahre hinweg habe ich recht bekommen. Dieses System ÖVP tut diesem Land nicht gut. Das nächste Jahr wird zeigen, in welche Richtung es geht. Es wird eine Art Schicksalswahl nächstes Jahr sein. Soll es weitergehen mit Schwarz-Grün und Stillstand oder soll es Zukunftspolitik geben? Wir möchten nächstes Jahr Führungsverantwortung in Vorarlberg übernehmen. Wir möchten dieses Land endlich wieder dorthin bringen, wo es hingehört, nämlich an die Spitze Europas.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Herbert Kickl?
Es gibt bei uns eine sehr klare Aufgabentrennung. Herbert Kickl ist Bundesparteiobmann und zu 100 Prozent für die Arbeit der Bundespartei zuständig. Ich bin Landesparteiobmann und zu 100 Prozent für die Arbeit in Vorarlberg zuständig. Eines aber auch in aller Klarheit: Wir führen seit Monaten in allen Bundesumfragen, sind dort klar auf Platz eins. Die Arbeit, die Herbert Kickl und die Bundespartei machen, ist äußerst positiv.
Der Fachkräftemangel ist ein aktuelles Thema. Wie würden denn Ihre Lösungen für dieses Problem aussehen?
Wenn man ein Fachkräfteproblem hat, muss man Rahmenbedingungen verbessern. Im Pflegebereich sind die Arbeitsbedingungen teilweise katastrophal, es ist zu wenig Personal dort. Also muss Geld in die Hand genommen werden. Jetzt muss endlich unterstützt werden, denn der Pflegebereich, der Bildungsbereich, der Sicherheitsbereich, das sind die zentralen Ecksäulen dieses Landes.
Die Teuerung ärgert wirklich jeden. Was könnten Sie konkret im Land tun, um das in den Griff zu bekommen?
Wir haben damals beispielsweise auf Bundesebene den Antrag gestellt, die CO2-Steuer zurückzunehmen. Wir haben den Antrag auf eine Pendlerbeihilfe gestellt. Alle Vorschläge wurden abgelehnt. Und wenn man die Bundesregierung, wenn man Schwarz-Grün auch auf Landesebene analysiert, kommt man immer mehr zur Erkenntnis, dass da eine gewisse Handlungsunfähigkeit da ist. Leidtragende sind die Vorarlbergerinnen und Vorarlberger.
Zwei Drittel in Vorarlberg besitzen weder Baugrundstück noch Haus noch Eigentumswohnung. Wie sehen Sie die Entwicklung, dass die Miete auf dem Vormarsch ist?
Wir haben allgemeine Schwierigkeiten beim Thema leistbares Wohnen. Dazu kommen die Kreditvergaberichtlinien. Dass man 20 Prozent Eigenkapital liefern muss, und nur 40 Prozent des Haushaltseinkommens für die Kredite hergenommen werden kann, ist völlig weltfremd. Ich gehe mittlerweile so weit, dass ich sage, es müssen endlich Gesetze geändert werden, damit diese Kreditvergaberichtlinien wieder in einen Bereich kommen, der halbwegs realistisch ist.
Wie sehen Sie die Aktionen von Klimaprotestierenden?
Eines in aller Klarheit: In Vorarlberg wurde in den letzten Jahren sehr, sehr viel für den Klimaschutz getan. Ich bin allgemein dafür, dass protestiert werden darf in diesem Land. Wenn es aber in einen Bereich geht, in dem die Bevölkerung jeden Tag genervt vor irgendwelchen Klimaklebern steht, dann sage ich, müssen Gesetze eingehalten und wenn nötig auch verschärft werden. Klimaschutz ist wichtig und wir setzen uns mit aller Kraft dafür ein, dass Klimaschutz auch mit Hausverstand in Vorarlberg umgesetzt wird.
In Koalitionsverhandlungen ist die S18 ja so etwas wie eine Glaubensfrage geworden. Glauben Sie an die S18?
Ich glaube an die S18. Ich glaube, der Wirtschaftsstandort Vorarlberg braucht diese Entlastungsstraße. Es hat zum Glück jetzt in der vergangenen Woche endlich die Visualisierung der überarbeitenden CP-Variante gegeben. Die verkehrsgeplagte Bevölkerung rund um Lustenau muss endlich entlastet werden. Mein Ziel ist es, dass die S18 weit vor 2050 umgesetzt wird. Die Fakten liegen ja alle auf dem Tisch.
In Vorarlberg ist die Diskrepanz bei den Gehältern zwischen Männern und Frauen besonders hoch. Was macht die FPÖ für Frauen?
Es ist Fakt, dass Frauen in vielen Berufsfeldern, insbesondere im Pflegebereich, mit gehaltstechnischen Problemen konfrontiert sind. Es liegt an der Landesregierung, endlich Maßnahmen zu ergreifen, um Frauen in diesen Positionen besser zu unterstützen. Die Kinderbetreuungsangebote müssen ausgebaut werden, und dies muss schneller geschehen. Unser Ziel ist es, Frauen zusätzlich zum Kinderbetreuungsgeld mindestens 1000 Euro monatliche Unterstützung zu gewähren. Im Gegensatz zu den Aussagen von Frau Gamon im Sommergespräch sind wir nicht der Meinung, dass Frauen quasi dazu gezwungen werden sollten, so schnell wie möglich wieder arbeiten zu gehen. Wir setzen uns dafür ein, dass Frauen und Familien selbst entscheiden können. Es muss Wahlfreiheit geschaffen werden: durch den Ausbau der Kinderbetreuung, aber auch durch ordentliche Unterstützung. Die Steuereinnahmen sprudeln aktuell. Jetzt müssen endlich die unterstützt werden, die in diesem Land einen ganz besonderen Beitrag leisten.
Für Politikbeobachter hat das negative politische und gesellschaftliche Klima mit der Verrohung der Sprache zu tun. Welchen Beitrag kann die FPÖ leisten, dass dieser Trend nicht weiter voranschreitet?
Es gibt unterschiedliche Analysen über meine politische Haltung. Einige halten mich für zu hart, andere für zu weich. Im Vergleich zur Bundespolitik werde ich oft als sehr ruhig eingestuft. Ich kann mit diesen Einordnungen wenig anfangen. Es gibt politische Kräfte, insbesondere die Grünen, die eher eine Diskussion über Sprache führen und bestimmte Wörter kritisieren, die man dann nicht mehr verwenden darf. Aber das ist ein politischer Trick. Wir lassen uns davon nicht ablenken. Wir werden die Probleme offen ansprechen und Lösungen vorschlagen, um erfolgreich zu sein.
Den einen bin ich zu hart, den anderen zu weich. Wenn man mich mit der Bundespolitik vergleicht, bin ich ganz ein Ruhiger. Ich kann mit diesen Einordnungen allgemein relativ wenig anfangen.

Zur Person
CHRISTOF BITSCHI
Landesparteiobmann der Vorarlberger FPÖ
Geboren 11. April 1991 in Bludenz
Laufbahn 2013 wurde er Landesobmann der Freiheitlichen Jugend Vorarlberg, seit 2014 sitzt er im Landtag. 2018 wurde er zum Landesparteiobmann gewählt. Seit 2017 ist er Geschäftsführer der Martin Bitschi Transporte GmbH.
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