„Die Omi wird mir immer fehlen“

Etliche Herausforderungen haben Bettina Sallmayer zu einer starken Frau gemacht.
BREGENZ Es gibt einiges, was Bettina Sallmayer partout nicht ausstehen kann. Zum Beispiel Unverlässlichkeit, hintenherum statt miteinander reden, „vor allem Leute, die nur herummotzen, aber selber den Arsch nicht hochkriegen“. Sie selbst ist ein Mensch, der für jede Herausforderung eine Lösung findet. Und vor Herausforderungen steht die 43-jährige zweifache Mutter, die einem Nachtjob nachgeht und sich zudem um ihre schwer erkrankte Mutter kümmert, andauernd. Etwas mühsam ist es schon, alles unter einen Hut zu bringen, weil der Tag halt nur 24 Stunden hat. Dennoch nimmt sie sich jetzt Zeit, aus ihrem Leben zu erzählen, das am 19. Juli 1980 in Bregenz angefangen hat.
Die Achsiedlerin
Bettina wächst mit einer Schwester und einem Bruder in der Achsiedlung auf. Dort, sagt sie, „hatte ich eine tolle Kindheit und Jugend“. Die riesige Siedlung am westlichen Ende von Bregenz mit ihren rund 50 Gebäuden und über 2000 Bewohnern ist wie eine eigene Stadt in der Stadt. „Früher mehr noch“, merkt Bettina an. „Früher gab es bei uns ein Postamt, einen Friseur, einen Spar-Markt, eine Bäckerei, sogar eine Ärztin. Und das Westend.“ In dem Jugendtreff, das heute noch existiert, hat sie sich oft und gerne aufgehalten. Von der Achsiedlung wegzuziehen, sei für sie nie eine Option gewesen, stellt sie klar. „Ich bleibe eine Achsiedlerin.“ Sie ist zwischenzeitlich bloß in einen anderen Block übersiedelt.
Von Kindheit an hat Bettina und ihre Großmutter eine innige Beziehung verbunden: „Sie war noch eine richtige Omi. Sie hat mir viel beigebracht. Kochen, Nähen, Stricken, Häkeln. Vor allem Lebensweisheit und was bedingungslose Liebe bedeutet.“ An einem Tag im Jahr 2004 bemerkt Bettina, dass sich die Großmutter anders verhält als gewohnt. „Das ist mir besonders beim Sprechen aufgefallen.“ Es ist ein Schlaganfall. Die damals 77-Jährige erholt sich zwar davon, nicht mehr jedoch von der Hirnblutung, welche sie zwei Jahre später erleidet. „Die Ärzte von der Intensivstation sagten, sie wird sterben, wir sollen uns von ihr verabschieden. Doch am nächsten Morgen ist sie aus dem Koma aufgewacht“, erzählt Bettina. „Die Omi ist zwar ein Pflegefall geblieben, aber sie war noch da.“ Als die Großmutter 2020 stirbt, hinterlässt sie im Herzen ihrer Enkelin eine Wunde, die nie vollständig heilen wird: „Sie fehlt mir. Sie wird mir immer fehlen.“
Die Blumen und Gastgewerbe
Bettina Sallmayers beruflicher Weg startet mit der Ausbildung zur Floristin. Danach arbeitet sie mehrere Jahre in der Schweiz in einer Bar. Bis sie Hermann Metzler, dem Betreiber der Bregenzer Diskothek Calypso, begegnet. „Er fragte mich, ob ich jemanden kenne, der im Calypso im Service aushelfen könnte. Ich kannte jemanden. Mich.“ So fängt sie dort als Aushilfskraft an. Und bleibt. Zehn Jahre lang. „Es war eine Superzeit“, resümiert Bettina. „Ich habe viel erlebt und von meinem Chef wahnsinnig viel gelernt.“
Im Juli 2016 hört sie auf im Calypso. Denn im August kommt ihr zweites Kind, Sohn Yannis, zur Welt. Ihr erster Sohn Sascha ist zu dem Zeitpunkt 15 Jahre alt. Ihn hat Bettina allein aufgezogen. Mit dem Vater von Yannis, Andi, lebt Bettina seit 2013 zusammen.
Nach der Karenzzeit, im Sommer 2017, beginnt Bettina in der Anette Bar in der Innenstadt zu arbeiten, mittlerweile ist sie auch in der Low Bar im Vorkloster beschäftigt.
Anfang dieses Jahres ist es ihre Mutter, die einen schweren Schlaganfall überlebt. Mit Entschlossenheit und Hingabe ist Bettina seitdem für die Mama da. Mehrmals am Tag ist sie bei ihr und hilft ihr dabei, ins Leben zurückzufinden. Dabei hat Bettina mit dem eigenen Haushalt, den Kindern (auch wenn Sascha schon erwachsen ist), den Haustieren (eine französische Bulldogge, zwei Katzen, ein Hase, ein Wellensittich-Paar) sowie den beiden Nachtjobs im Gastgewerbe einen mehr als ausgefüllten Alltag. Wie schafft man das alles? „Dank Andi“, sagt sie. „Ohne seine Unterstützung wäre das nicht machbar.“
Auf die Frage nach Wünschen antwortet Bettina Sallmayer schlicht: „Das Einzige, was ich mir wünsche, ist, gesund zu bleiben.“ Damit sie stark genug ist, um für die Kinder, den Andi, die Mama und all die anderen, die bei ihr anklopfen, wenn sie Hilfe brauchen, da sein zu können. „Übrigens“, fügt sie hinzu, „bin ich jetzt an einem Punkt angelangt, da fühle ich, es geht alles in eine gute Richtung.“
„Ich bin jetzt an einem Punkt angelangt, da fühle ich, es geht alles in eine gute Richtung.“

