Gestautes Wasser als die grüne Batterie des Landes

Die erste illwerke-vkw-Wanderung nach der Pandemie führte in die Silvretta.
Gaschurn Wild und ungezähmt sprudelt in kleinen und großen Gerinnen kristallklares Wasser über Berghänge und Wiesen. Müßig hingegen liegen Vermunt- und Silvrettasee in den Staubecken. Die heiße Julisonne verstärkt das Türkis des Wassers, lässt es glänzen und flirren. Die äußere Ruhe trügt jedoch, denn im Berg sind die Maschinen los, erzeugen den Strom, den alle täglich brauchen. „Das gestaute Wasser ist unsere grüne Batterie“, erklärt Siegi Gschaider einer Gruppe, die in der riesigen Kaverne des Obervermuntwerk II über Headset gespannt seinen Ausführungen lauscht. Es handelt sich um Teilnehmer der ersten illwerke-vkw-Energiewanderung nach der Pandemie. Drei Jahre lag auch diese Veranstaltungsreihe auf Eis. Zum Neustart gab es mit der Besichtigung des Obervermuntwerk II gleich ein besonderes Highlight.Tenor der rund 70 Besucher: „Überwältigend.“
Sichtbar und erlebbar
Die Erzeugung von erneuerbarer Energie sichtbar und erlebbar machen: Dieser Gedanke liegt den etwas anderen Wanderungen zugrunde. Nach dem pandemiebedingten Stillstand ging es am Samstag wieder los. Das Obervermuntwerk II ist Anziehungspunkt für technikaffine Gäste aus aller Herren Länder. „Unlängst war eine Delegation aus Indien da“, erzählt Siegi Gschaider. Der Andrang ist insgesamt groß. „Allein im Juni hatten wir 40 Führungen“, ergänzt Helmut Ganahl. Sowohl er als auch Gschaider sind ehemalige illwerke-vkw-Mitarbeiter. Jetzt lassen sie Besucher an ihrem beruflichen Erfahrungsschatz teilhaben.
Schwarzstartfähige Maschinen
Mit Bussen, die ansonsten Wintersportler von der Vermuntbahn auf die Bielerhöhe befördern, werden die illwerke-vkw-Wanderer durch den 800 Meter langen Zugangsstollen zur Maschinenhalle gebracht. Hier ist es laut. Die Turbinen arbeiten. „Es wird fast Volllast gefahren“, sagt Siegi Gschaider mit Blick auf eine Anzeigentafel. Er erklärt, dass sich Strom als solcher nicht speichern lässt, gestautes Wasser unsere grüne Batterie ist und es Pumpwerke braucht, um diese aufzuladen. Er beruhigt auch, was ein mögliches Blackout angeht. „Unsere Maschinen sind schwarzstartfähig gebaut“, führt er aus. Will heißen: Notstromaggregate schieben eine Maschine an. „Haben wir die, haben wir alle.“ In spätestens zwei Tagen würden die Lichter im Land wieder angehen.
Botschaften und Provokationen
Anhand eines Videofilms erhalten die Besucher noch Einblicke in den aufwendigen Bau des Pumpspeicherwerks, das 500 Arbeiter beschäftigte und 500 Millionen Euro kostete. „Jetzt, wo ich das gesehen habe, zahle ich den Strom lieber“, merkt ein Teilnehmer schmunzelnd an. Danach geht es per Bus auf die Bielerhöhe, wo ein Mittagessen und anschließend ein Rundgang um den See warten. Begleitet von erfahrenen Wander- und Kulturführern erhalten die Teilnehmenden vielfältige Informationen zur imposanten Naturlandschaft, zur Geschichte der Bielerhöhe und des Stausees, wobei Karl Dörler, Leiter der illwerke-vkw-Wanderungen, auch das Thema Zwangsarbeiter nicht ausklammert, zum Einfluss des Klimawandels und den Kunstwerken rund um den See Stellung nimmt. Letztere, auch LandArt genannt und nicht immer ganz unumstritten, beschreibt Dörler so: „Manchmal stecken dahinter tiefe Botschaften, manchmal sind es lustvolle Provokationen.“
Zeitgenössische Kunst, wie etwa die Schlauch-Installation am Bielbach von Roman Signer oder die Signatur „G. Bechtold 02“ an der von Menschenhand gebauten Staumauer, suche eben die Auseinandersetzung. VN-MM

