Geldverlust für Grenzgänger

Vorarlberg / 24.07.2023 • 20:23 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Etwa 8500 Vorarlbergerinnen und Vorarlberger arbeiten in Liechtenstein, 8000 in der Schweiz.VN/Hartinger
Etwa 8500 Vorarlbergerinnen und Vorarlberger arbeiten in Liechtenstein, 8000 in der Schweiz.VN/Hartinger

Kinderbetreuungsgeld und Versicherung fallen für Grenzgänger in die Schweiz und nach Liechtenstein weg.

Schwarzach, Wien 17.000 Vorarlbergerinnen und Vorarlberger überqueren täglich die Staatsgrenze, um in Liechtenstein oder in der Schweiz zu arbeiten. Für die Jungeltern unter ihnen gibt es keine guten Neuigkeiten: Die Grenzgängerinnen und Grenzgänger erhalten nämlich seit Februar 2023 kein Kinderbetreuungsgeld mehr. Damit verlieren sie auch den Versicherungsschutz für sich und ihre Kinder.

Mittels einer Weisung aus dem Bundesministerium für Frauen, Familie, Integration und Medien unter Ministerin Susanne Raab (ÖVP) an die Gebietskrankenkassen wird eine Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes an sie und damit verbunden ihre gesetzliche Krankenversicherung untersagt. Diese Weisung trat ohne Vorankündigung in Kraft, viele Frauen wurden völlig unvorbereitet mit dieser Sachlage konfrontiert, kritisiert der Vorarlberger Grenzgängerverband.

Etwa 1500 Betroffene

Betroffen davon sind in Österreich wohnhafte Familien, von denen jeweils ein Elternteil entweder in der Schweiz oder im Fürstentum Liechtenstein erwerbstätig ist. Laut Schätzungen des Verbands sind dies etwa 1500 Personen. „Hier geht es nicht nur darum, dass betroffene Mütter plötzlich nach der Geburt ohne Einkommen dastehen – sie und ihre Kinder sind damit auch ohne Versicherungsschutz. Wir sprechen hier also von Babys und Kleinkindern ohne Krankenversicherung“, unterstreicht Herbert Fechtig, Obmann des Vorarlberger Grenzgängerverbands, den Ernst der Lage.

Nicht mehr krankenversichert

In den letzten Wochen hätten ihn viele verzweifelte Anfragen von Müttern, die nun mit einem Schlag die Kosten für eine Versicherung für sich und ihr Kind selbst tragen müssen, erreicht. „Das sind rund 4800 Euro jährlich. Was das gerade jetzt in Zeiten von massiven Teuerungen für junge Familien bedeutet, muss ich nicht groß betonen. Aber diese Eltern sollten eigentlich voller Vorfreude auf das neue Familienmitglied sein, stattdessen bangen sie um ihre Existenz“, findet Herbert Fechtig klare Worte.

Das Kinderbetreuungsgeld ist an die Auszahlung der Familienbeihilfe gekoppelt. Grenzgänger aus Vorarlberg in die Schweiz und nach Liechtenstein erhalten jedoch keine Familienbeihilfe. Das Konzept der Familienbeihilfe ist in den beiden Ländern nämlich nicht vorgesehen und der österreichische Staat übernimmt daher auch keine Auszahlung. Laut einem Urteil des Obersten Gerichtshofs (10ObS128 21b) aus dem Jahr 2022 reicht es jedoch, lediglich einen Antrag auf die Familienbeihilfe zu stellen, um das Kinderbetreuungsgeld dennoch zu erhalten.

Widerspruch zu OGH-Urteil

Das bedeutet konkret, dass es zu einem Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld kommt, auch wenn die offizielle Auszahlung der Familienbeihilfe null Euro beträgt. Dies entspricht laut Grenzgängerverband auch dem Sinn des Kinderbetreuungsgeldes: eine gesicherte Lebensgrundlage und Versicherungsschutz in Österreich für Mutter und Kind, unabhängig vom jeweiligen Beschäftigungsverhältnis. „Wir wissen nicht, warum die Weisung des Ministeriums dem OGH-Urteil widerspricht und Müttern und Kindern ohne Begründung der Versicherungsschutz entzogen wird. Auch auf mehrmaliges Nachfragen von verschiedensten Seiten konnte uns niemand diese Weisung und ihren Wortlaut schriftlich vorlegen“, betont Fechtig.

Verband fordert schnelle Lösung

Der Vorarlberger Grenzgängerverband fordert eine sofortige Rücknahme der Weisung. „In Vorarlberg sind rund zehn Prozent aller Erwerbstätigen Grenzgänger. Sie haben ein Recht darauf, rechtzeitig über ihre Ansprüche informiert zu werden. Es kann einfach nicht sein, dass sich von einem Tag auf den anderen die Rahmenbedingungen völlig ändern. Hier wird 18.000 Menschen die Familienplanung massiv erschwert, sogar in vielen Fällen unmöglich gemacht. Wir appellieren an die Politik, sofort zu handeln“, so Fechtig. VN-MIH

Grenzgänger-Obmann Herbert Fechtig fordert die Rücknahme der Weisung.
Grenzgänger-Obmann Herbert Fechtig fordert die Rücknahme der Weisung.