„Das Problem der überforderten Tierhalter ist massiv“

Tiermediziner Erik Schmid beklagt mangelhafte Strukturen.
WOLFURT Die Meldungen reißen nicht ab. Im Zusammenhang mit der Anzeige des Vereins gegen Tierfabriken (VGT) gegen einen Landwirt im Bezirk Bregenz tauchen täglich neue Beobachtungen auf. Der Fall zieht immer weitere Kreise.
Sandy Peng vom VGT berichtet, sie werde angerufen und sogar auf der Straße angesprochen. Immer mehr Anrainer teilen ihr Wissen. Demnach stehe der Hof schon seit rund einem Jahrzehnt immer wieder in der Kritik. Erik Schmid bestätigt das. Und der muss es wissen, denn er war zu diesem Zeitpunkt selbst Landesveterinär.
Anrainer stören Lärm und Gestank
„Ich habe dem Landwirt vor Jahren selbst gesagt, dass er dort keine Zukunft hat“, erzählt Schmid. Denn durch den Ausbau der Industrie und neue Wohngebiete an diesem Standort werde der Hof regelrecht umzingelt. Da der Landwirt rund um die Uhr arbeitet, also teilweise auch nachts und am Wochenende Maschinen laufen, sind die Anrainer stinkig. Der ehemalige Landesveterinär sieht in dieser Belästigung auch einen Grund für die zahlreichen Beschwerden.In Götzis habe es einen ähnlichen Fall gegeben. Der Landwirt musste schließlich umsiedeln. Der Wolfurter Landwirt sieht das aber nicht ein. Und durch sein Verhalten trägt er auch nicht gerade dazu bei, dass die Lage sich entspannt. „Diese Mischung ist tödlich“, sagt Schmid. Er hatte ihm geraten, seine Tierzahl zu reduzieren. Der Landwirt sei ein begnadeter Mechaniker und solle sich eher darauf konzentrieren.
Für Schmid sei das Interview des Landwirts bei Vorarlberg LIVE ein Hilferuf gewesen. Gegen persönliche Überforderung gebe es keine behördlichen Hilfsmittel. Viele hatten sich schließlich darüber aufgeregt, dass die Bezirkshauptmannschaft jahrelang nicht eingeschritten war. Doch Schmid erklärt: „Die Tierschutzmängel waren nie gravierend genug für drastische Maßnahmen.“ Die BH hatte also keine Einflussmöglichkeit. Abgesehen von den Verbesserungsaufträgen. Die bezeichnet Schmid als sinnlos. Woher solle der Landwirt Zeit, Geld und Motivation nehmen, um ernsthaft etwas zu ändern?
Einsatz für präventiven Tierschutz
Für den Tiermediziner ist die Lehre aus diesem Fall mal wieder eine Bewilligungspflicht, wie sie für alle anderen Unternehmen auch gilt. Statt zu warten, bis es den Tieren sehr schlecht geht, könnten die Behörden dann präventiv einschreiten. Für Schmid ist klar: „So kann es nicht weitergehen.“ Er wird daher weiterverfolgen, ein präventives Tierschutzsystem einzuführen.
Der Tiermediziner glaubt nicht daran, dass es sich, wie von der BH behauptet, um einen weiteren Einzelfall handelt. „Das Problem der überforderten Tierhalter ist massiv – nicht nur in der Nutztier-, sondern auch in der Heimtierhaltung.“ Für Schmid hat das mit den aktuellen Strukturen zu tun. Denn die Entwicklung geht hin zu größeren Betrieben mit Hochleistungstieren. Der Weg in die Überforderung ist dann deutlich kürzer.
Dass sich Österreich in der Europäischen Union aber gegen eine Bestandsobergrenze einsetzt, ist für den ehemaligen Landesveterinär zum Davonlaufen. Gezeichnet wird ein Bild vom idyllischen Kleinbauern. Doch die Realität sieht anders aus. Das zeigt die Aufdeckung des VGT einmal mehr. VN-PPL
